Sitzung der AG Medien, Sotschi, 23.-25. November 2018

Die Sitzung wurde eröffnet von Witali Ignatenko, Koordinator der AG Medien des Petersburger Dialogs von russischer Seite und Präsident der Weltassoziation der russischsprachigen Presse, sowie Anatoli Pachomow, Bürgermeister der Stadt Sotschi.

Im Rahmen des bilateralen Treffens analysierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den heutigen Stand der europäisch-russischen Beziehungen im Vergleich mit der Situation während des Kalten Kriegs. Der Dialog wurde trotz des konfliktträchtigen Themas in einer vertrauensvollen und offenen Atmosphäre geführt. Alle Anwesenden kamen zu dem Schluss, dass der Informationskampf in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen habe. Um den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, sei es weiterhin erforderlich, diese persönlichen Austauschformate zu pflegen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern kamen zu folgenden Einsichten:

Zur Fortführung und Ausweitung der Diskussion zu diesem Thema sollen Vertreter der US-amerikanischen Medien eingeladen werden.

Die deutsch-russischen, bzw. europäisch-russischen Beziehungen werden sich auf absehbare Zeit eher im Bereich der Wirtschaft als auf der Grundlage gemeinsamer Werte entwickeln.

Gesprächspotenzial ergebe sich auch im Bereich der verschiedenen Religionen in unseren Gesellschaften sowie in der Frage, wie sich Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland das Zusammenleben und die Aktivitäten verschiedener Kirchen vorstellen.

  1. Referent

Leonid Mletschin referierte ausführlich über „unsere Schwäche“ zu Beginn des Kriegs gegen Nazideutschland sowie die Geschichte der Abschreckung und des Kalten Kriegs.

Mletschin machte die Rechnung gegenüber der konfrontativen Politik der USA auf, kritisierte aber auch deutlich Russland, das in der politischen und medialen Förderung von Feindbildern, „der Westen“, sowohl von innenpolitischen Problemen ablenke, als auch die russische Seite in einem zu hellen, nicht realistischen Bild darstelle. Insgesamt zeichnete Mletschin ein düsteres Bild der Konfliktlage und gab sich besorgt, dass wir uns bereits in einem neuen Kalten Krieg befänden.

  1. Referent

Peter Koepf sprach über die beabsichtigte Aufkündigung des INF-Vertrags durch US-Präsident Donald Trump, Macrons (und Merkels) Initiative für eine „europäische Armee“ sowie die Permanent Structured Cooperation (Pesco). Eine „wahre europäische Armee“ wie Macron sie anscheinend anstrebt, werde am Egoismus der großen Staaten scheitern, die keine vollständige Integration wünschten, weil die Rüstungsindustrie zum großen Teil national ist. „Eine gesamteuropäische Armee würde bedeuten, Kompetenzen abzugeben und auf nationale Kernkapazitäten zu verzichten sowie Technologieführerschaft und Arbeitsplätze zu verlieren.“ Außerdem sei niemand bereit, die nationalen Entscheider ihrer Rechte zu berauben (etwa bei Haushaltsfragen und Absegnung von Verteidigungseinsätzen) und sie an die EU abzutreten.

Bei Pesco gehe es entgegen russischer Stimmen (etwa: Gromyko auf der Jahresversammlung des PD in Moskau in der AG Politik) nicht um die Verlegung von Truppen nach Osten. Was es in Europas Sicherheitspolitik aber geben werde, sei mehr Kooperation.

Thema war auch Trumps Ankündigung, aus dem INF-Vertrag auszusteigen, sowie Szenarios bzgl. Putins „neuer Militärdoktrin“, wie Nikolaus Busse es in der FAZ beschrieben hatte: „Russland interveniert im Baltikum und droht der Nato für den Fall einer Rückeroberung mit einem Atomschlag in Europa.“

(Eine gekürzte Version des Vortrags ist in der Ausgabe Dezember 2018 der Zeitung Petersburger Dialog zu lesen.)

  1. Referent:

Dmitri Lamejkin, Duma-Abgeordneter aus Sotschi, beklagte den Informationskrieg gegen Russland während der Olympischen Winterspiele in Sotschi und die Anwürfe gegen den TV-Sender Russia today.

  1. Referent:

Lutz Lichtenberger gab einen Überblick über die INF-Debatte in den USA.

Er bezog sich auf die jüngsten Aufsätze zum Thema in den außenpolitischen Fachzeitschriften Foreign Policy und Foreign Affairs, in der aktive und ehemalige Regierungsvertreter, Diplomaten und universitäre Experten die aktuelle Lage erörtern. Der Tenor aus den Essays lautet, angesichts des „Ausfalls“ amerikanischer Führung, müssten europäische Länder, vor allem Deutschland und Frankreich, Kanada und Japan, sich intensiver bemühen, die liberale Weltordnung zu verteidigen.

Ferner berichtet der Referent über das neueste Thesenpapier des Council on Foreign Relations, das dem Außenministerium nahesteht und republikanische und demokratische Außenpolitiker berät. In der Studie wird im Bezug auf Russland für deutlich stärkere Maßnahmen – jenseits von militärischen – plädiert. Die USA sollten Sanktionen gezielter einsetzen und zugleich sicherstellen, dass Hackerangriffe auf das amerikanische Wahlsystem abgewehrt werden können.

  1. Referent:

Michail Rostowskij, politischer Kolumnist von Moskowski Komsomolez, betonte die gemeinsamen Interessen und Überzeugungen Europas und Russlands. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Gesellschaften betreffe die Behandlung sexueller Minderheiten.

Der Referent beklagt, dass in Russland das außenpolitische Bewusstsein nicht so ausgeprägt sei, wie er es für angemessen und wünschenswert hielte. Er stellt zugleich fest, dass das Verständnis für russische Belange im Ausland nur sehr schwach gewürdigt werde. Die stärkste Bedrohung sei weltweit noch immer der islamistische Terrorismus.

Peter Koepf