Sitzung der AG Kultur beim 6. Petersburger Dialog in Dresden, 9.-10. Oktober 2006

Unter Leitung von Prof. Dr. Michail Borisowitsch Piotrowskij und Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann hat sich die Arbeitsgruppe Kultur des Petersburger Dialogs in intensiven und anregenden Gesprächen über russisch-deutsche Kooperationsvorhaben vor allem auf den Gebieten von Denkmalpflege, Architektur und Stadtentwicklung verständigt.

Lebhafte und allgemeine Zustimmung fand der Vorschlag von Prof. Lehmann, den Umgang mit den Weltkulturerbestätten Museumsinsel Berlin und Eremitage St. Petersburg zum Gegenstand zweier Konferenzen zu machen, die im Herbst 2007 in St. Petersburg und im Herbst 2008 in Berlin stattfinden sollen. Gegenstand der ersten, öffentlichen Tagung in St. Petersburg soll die Unterrichtung und der Erfahrungsaustausch über die unterschiedlichen Strategien der Sanierung, Erweiterung und technischen Ertüchtigung der beiden hochbedeutenden Museumsensembles für die Nutzung im 21. Jahrhundert sein. Aufbauend auf dieser ersten Konferenz soll die zweite Veranstaltung in Berlin den Fokus öffnen und die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den Museumsquartieren und ihrem städtischen Umfeld untersuchen. Dabei könnten nicht nur Vorträge der an den Umbauarbeiten beteiligten Institutionen in Betracht kommen, sondern auch vielfältige Beiträge aus der Wissenschaft, der Denkmalpflege, zudem Erörterungen über den medialen Umgang mit den Projekten und eventuell auch über Finanzierungsfragen. Einigkeit bestand darüber, daß bei dieser zweiten Konferenz auch nach den Beziehungen zwischen den Museen und den umliegenden Schlössern und Gärten, insbesondere in Potsdam und Peterhof, gefragt werden solle. Münden würden die beiden Konferenz schließlich im Jahr 2009 in einer gemeinsamen großen Ausstellung, die mit der Wiedereröffnung des Neuen Museums in Berlin und dem Abschluß wichtiger Bauabschnitte in St. Petersburg zusammenfiele.

Ausführlich hat sich die Arbeitsgruppe sodann den Problemen der Bevölkerungsentwicklung in beiden Ländern zugewandt, die massive Auswirkung auf das Wachstum und das teils dramatische Schrumpfen von Städten und Regionen hat, mit vielfältigen ökonomischen, politischen, aber eben auch erheblichen Folgen für die Kultur. Die Entleerung ganzer Landstriche und Kommunen bedroht nicht nur das Bauerbe, sondern auch verschiedenste kulturelle Einrichtungen wie Museen, Musikschulen, Bibliotheken und lokale Initiativen; gleiches gilt für den großen Druck einer überhitzten Expansion, wie sie in manchen Regionen Rußlands zu beobachten ist. Die Arbeitsgruppe war sich einig, daß dies ein Thema ist, das auch andere Arbeitsgruppen des Petersburger Dialogs beschäftigen sollte, etwa die AG Zivilgesellschaft und die AG Wirtschaft. Sie spricht daher die Empfehlung aus, der Vorstand des Petersburger Dialogs möge eine arbeitsgruppenübergreifende Projektgruppe einrichten, die unterschiedliche Initiativen zu dem Thema bündelt. Ziel soll die Ausrichtung einer oder mehrerer Konferenzen in deutschen und russischen Städten sein, auf der sich Stadtplaner, Sozialwissenschaftler, Architekten, Historiker, politische Akteure, Bürgerinitiativen, Wirtschaftsvertreter, aber auch Künstler aus den besonders betroffenen deutschen und russischen Regionen treffen, um Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsame Projekte zu entwickeln.

Einvernehmen besteht auch darüber, daß es erstrebenswert wäre, eine gemeinsame Studie über das Schicksal des vielfach bedrohten Bauerbes der russischen Avantgarde und Post-Avantgarde in Auftrag zu geben, die gegebenenfalls zu einer Ausstellung hinführen könnte. Erwogen werden soll in Gesprächen zwischen den Vorsitzenden der AG Kultur mit dem Vorstand des Petersburger Dialogs zudem, ob der Petersburger Dialog künftig Instrumente, etwa ein „Gütesiegel“, zur Unterstützung besonders wichtiger Restaurierungsvorhaben entwickeln könnte.

Die Arbeitsgruppe Kultur empfiehlt zudem die Einrichtung einer gemeinsamen russisch-deutschen Restauratorenausbildung oder vergleichbarer Initiativen zur Förderung von kulturell tätigen Nachwuchskräften aus beiden Ländern.

Schließlich unterstützte die AG Kultur einmütig und nachdrücklich die folgenden deutsch-russischen Kooperationsprojekte:

  • Die von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gemeinsam mit der Eremitage St. Peterburg und dem Peterhof geplante Ausstellung „Berlin – St. Petersburg“, die Ende 2007 in St. Petersburg und anschließend in Berlin gezeigt werden soll und die außergewöhnlich fruchtbaren dynastischen, kulturellen und politischen Verflechtungen zwischen Rußland und Preußen zwischen 1800 und 1850 zeigen soll.
  • Die vom Historischen Museum Moskau gemeinsam mit dem Museum Karlshorst konzipierte Ausstellung über deutsche Rußland-Bilder und russische Deutschland-Bilder seit 1800 bis in die Gegenwart. Die Schau soll im Dezember 2007 bzw. im Frühjahr 2008 in Berlin und Moskau zu sehen sein.
  • Die von der Stiftung Neuhardenberg mit dem Tolstoi-Museum Jasnaja Poljana konzipierte Kooperation der beiden Institute, die an der Peripherie großer Metropolen die Erinnerung bedeutender Persönlichkeiten wachhalten und deren Traditionslinien in die Gegenwart ausziehen. Mit einer Vielzahl von gemeinsamen Debatten, Konzerten, Stipendien und Ausstellungen soll modellhaft vorgeführt werden, wie zwei Institutionen abseits der Hauptstädte auf höchstem Niveau kooperieren und gemeinsam das allzu lang geteilte Gedächtnis Europas zusammenzuführen helfen können.