Sitzung der AG Kultur beim 3. Petersburger Dialog, St. Petersburg, 10. – 12. April 2003

Die weitere Entwicklung der russisch-deutschen Kulturzusammenarbeit. Die Arbeitsgruppe Kultur sieht in der Stärkung und Vitalisierung kultureller Beziehungen zwischen Russland und Deutschland eine große Chance Kreativität, Offenheit und gegenseitige Neugier zu stimulieren.

Sie weist mit Nachdruck darauf hin, dass das ökonomische Europa der EU das größere kulturelle Europa – mit seinen langen historischen Linien und seinem heute wieder lebendigen Potenzial – nicht behindern darf. Dazu gehören sowohl Möglichkeiten der Förderung, der Kulturabkommen, als auch der institutionellen Netzwerke.

Auch die bilateralen kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland können durch einfachere und transparente Formen der Visumerteilung verbessert werden. Hierzu sollten alle rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden.

Die Arbeitsgruppe sieht den Kulturaustausch zwischen beiden Ländern vor allem als einen Vorgang der Inspiration. Dies zeigt sich deutlich in den von der Arbeitsgruppe 2001/2002 empfohlenen deutsch-russischen Kulturbegegnungen. 2003 ist das Jahr der russischen Kultur in Deutschland, 2004 soll das Jahr der deutschen Kultur in Russland sein. Das von beiden Regierungen geförderte Programm wird in jeweils mehr als 400 Veranstaltungen das Bild des jeweiligen Landes durch seine weite Verbreitung und ein alle Kultursparten präsentierendes Programm profilieren. Die Arbeitsgruppe empfiehlt, das Goethe-Institut Moskau als Informations- und Beratungszentrum für die Kulturbegegnungen 2004 zu beauftragen.

Sie nimmt die Anregung von Minister Schwydkoj und Ministerin Weiss auf, möglichst bis Ende Mai/Anfang Juni eine konsolidierte Planungsübersicht zu haben (Goethe-Institut mit den staatlichen Stellen). Sie sieht für die Kulturbegegnungen 2004 folgende Schwerpunkte bzw. Leitlinien:

  • das Programm soll über die Metropolen hinaus auf die Fläche erweitert werden
  • Städtepartnerschaften sollen unterstützend eingesetzt werden
  • die junge Generation soll durch neue Formen der Kulturvermittlung erreicht werden
  • Projekte sollen sowohl klassische als auch zeitgenössische Segmente anbieten
  • als Sparten sollen bevorzugt vertreten sein Tanz- und Musiktheater, zeitgenössische Autoren auf Bühnen und in Lesungen, große kooperative Kunst- und archäologische Ausstellungen, Woche des Films, Fernsehkooperation
  • als mittel- und langfristige Kooperationsvorhaben sollen über die Kulturbegegnungen initiiert werden: Literaturübersetzungsprogramm, Praktikanten- und Volontäraustausch bei Bibliotheken, Archiven und Museen, Meisterklasse bei Restauratoren und Denkmalschützern

Die Arbeitsgruppe empfiehlt als konkrete Ausstellungsprojekte schon jetzt:

  • Wahlverwandtschaften, Bildende Kunst im 19. Jahrhundert zwischen Russland und Deutschland (Puschkin-Museum, Nationalgalerie Berlin) Ausstellungen in Moskau und Berlin
  • Russland-Preußen (1800–1850) (Eremitage, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Stiftung Preußischer Kulturbesitz) Ausstellungen in St. Petersburg und Berlin
  • Merowinger / Die Völkerwanderungszeit (Eremitage, Puschkin-Museum, Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin) Ausstellungen in St. Petersburg und Moskau. Auf der Ausstellung wird neben den Originalbeständen der Museen auch kriegsbedingt verlagertes Kulturgut gezeigt.
  • eine Ausstellung Fayencen – Meißener Porzellan
  • eine Ausstellung „Spuren“ vom Haus der Geschichte, Bonn. Sie soll im Historischen Museum Moskau gezeigt werden

Alle Ausstellungen sollten mit Begleitveranstaltungen geplant werden. Die Buchmesse Frankfurt 2003 mit dem Schwerpunkt Russland soll genutzt werden für Absprachen zum Übersetzungsprogramm.

Die Arbeitsgruppe ist der Auffassung, dass die Jahre der Kulturbegegnungen 2003/2004 eine Fortsetzung finden sollen in 2005 mit einem Schwerpunkt 60 Jahre nach Kriegsende. Dazu sollten vorbereitende Arbeiten geplant werden, die sich weniger mit den militärischen als den gesellschaftlichen Entwicklungen befassen.

Die Fragen der Beutekunst müssen in dem gewachsenen Klima gegenseitigen Vertrauens offener und differenzierter diskutiert und gelöst werden.

Die Schul- und Lehrbücher müssen in der Darstellung präziser und vollständiger die Kriegs- und Nachkriegsereignisse wie z. B. die Belagerung Leningrads vermitteln und Stereotypen vermeiden (Bearbeitung unter Beteiligung der Historikerkommission). Das Thema Kaliningrad/Königsberg sollte 2005 anlässlich des 750-jährigen Stadtjubiläums eine Behandlung erfahren. Die Arbeitsgruppe hat darüber hinaus empfohlen, sich auf wissenschaftlicher Ebene in Form von Kolloquien der folgenden Themen anzunehmen:

  • deutsch-russischer Kulturvergleich, auch als Vorstufe zu einer späteren institutionalisierten Form
  • freiwillige und erzwungene Migration
  • Denkmalschutz und Restaurierung beweglicher Kulturgüter (Workshop).

Die Arbeitsgruppe ist schließlich der Auffassung, dass die Projekte nicht nur auf die Wirkung von Einzelereignissen beschränkt bleiben dürfen, sondern Voraussetzungen für längerfristige Kooperation und Koproduktion bieten sollten.

Dazu sollte sich die russische Seite am existierenden Kulturportal der deutsch-russischen Kulturbegegnungen, das derzeit nur deutsch angeboten wird, beteiligen.

Für die physische Erhaltung der russischen Bibliotheksbestände sollte das schon mehrfach empfohlene Zentrum für Bucherhaltung Moskau in Kooperation mit einem deutschen Partner realisiert werden.

Durch eine Städtepartnerkonferenz in Russland 2004, auf der u. a. erfolgreiche kulturelle Projekte und Koproduktionen präsentiert werden, soll eine Intensivierung der Zusammenarbeit erfolgen.

Die bisherigen Aktivitäten und Initiativen der Arbeitsgruppe hatten aufgrund der bestehenden Beziehungen zwischen den kulturellen Einrichtungen in Russland und Deutschland gute Chancen für eine Realisierung. Gleichwohl ist es wichtig, neue Strömungen der Gegenwartskultur zu berücksichtigen und ihre Vertreter in die Arbeitsgruppe aufzunehmen. Wesentlich wird auch sein, die Jugendprogramme sprachlich und institutionell zu unterstützen, um neue Möglichkeiten für die Aus- und Weiterbildung zu eröffnen und allmählich eine wirkungsvolle Infrastruktur für einen dauerhaften Austausch entstehen zu lassen.

Koordinatoren und Berichterstatter:

Prof. Dr. Michail Borisowitsch Piotrowski Direktor, Staatliche Eremitage St. Petersburg, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften und der Russischen Akademie der Künste

Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann – Präsident, Stiftung Preußischer Kulturbesitz