Sitzung der AG Kirchen in Europa beim 10. Petersburger Dialog in Jekaterinburg, 13.-15. Juli 2010

Die Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa“ hat sich in diesem Jahr unter der Leitung von Dr. Johannes Oeldemann und Priestermönch Filipp Rjabych mit dem Religionsunterricht an staatlichen Schulen befasst. Konkreter Anlass dazu war die probeweise Einführung des Unterrichtsfaches „Grundlagen religiöser Kultur“ an staatlichen Schulen in 19 Regionen der Russischen Föderation.

Die Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa“ hat sich in diesem Jahr mit dem Religionsunterricht an staatlichen Schulen befasst. Konkreter Anlass dazu war die probeweise Einführung des Unterrichtsfaches „Grundlagen religiöser Kultur“ an staatlichen Schulen in 19 Regionen der Russischen Föderation. Die russischen Vertreter informierten die deutschen Teilnehmer über die konkrete Umsetzung dieses Modellversuchs, der auf Anordnung des Präsidenten der Russischen Föderation derzeit in den 4. und 5. Klassen durchgeführt wird, und stellten das Unterrichtsmaterial für die sechs zur Auswahl stehenden Fächer (Grundlagen der orthodoxen Kultur, Grundlagen der islamischen Kultur, Grundlagen der jüdischen Kultur, Grundlagen der buddhistischen Kultur, Grundlagen religiöser Weltkulturen und Grundlagen weltlicher Ethik) vor. Zwei Referate von deutscher Seite widmeten sich pädagogischen Ansätzen im Religionsunterricht und der Frage, welches Bild anderer Konfessionen in den Schulbüchern für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland vermittelt wird.

In den Vorträgen und den anschließenden Diskussionen wurden die unterschiedlichen Erfahrungen in Russland und Deutschland deutlich, die mit der historischen Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche in beiden Ländern zusammenhängen. Die russischen Vertreter berichteten von Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den zuständigen staatlichen Stellen, mit einzelnen Schulen, aber auch mit Eltern, während die deutschen Teilnehmer das in Deutschland seit Jahren bewährte System der Kooperation von Staat und Kirche vorstellten. Beide Seiten waren sich einig, dass eine geregelte Zusammenarbeit staatlicher und kirchlicher Stellen bei der Erstellung von Lehrplänen, der Genehmigung von Schulbüchern und der Ausbildung von Religionslehrern eine unabdingbare Voraussetzung für die fruchtbare Vermittlung geistlich-religiöser Bildung an staatlichen Schulen ist. Übereinstimmung bestand auch darin, dass Religionsunterricht an staatlichen Schulen zum genuinen Bildungsauftrag der Schule zählt. Weil Religiosität ein wesentliches Merkmal des Menschen ist, muss die religiöse Dimension von Bildung und Erziehung auch im staatlichen Bildungssystem thematisiert werden.

Die russische Seite bekundete großes Interesse an den deutschen Erfahrungen mit der Kooperation von Staat und Kirche, während aus deutscher Perspektive das russische Modell eines verbindlichen Unterrichts religiöser Kulturen mit mehreren Wahlmöglichkeiten auch für die zunehmend multireligiös geprägte Gesellschaft in Deutschland von Interesse ist. Deutsche und Russen können somit von den unterschiedlichen Erfahrungen in beiden Ländern profitieren. Daher beabsichtigt die Arbeitsgruppe, in einem längerfristigen Projekt die Grundlagen, Voraussetzungen und Perspektiven religiöser Bildung im staatlichen Schulsystem weiter zu reflektieren. Dies kann in Form von Fachtagungen geschehen, bei denen einzelne Aspekte der Thematik mit Experten und Vertretern aus den Schulen diskutiert und vertieft werden sollen.