Sitzung der AG Bildung, Wissenschaft und Gesundheitsvorsorge beim 7. Petersburger Dialog, Wiesbaden, 13.-15. Oktober 2007
„Die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft in Europa“
Koordinatoren:
Prof. Dr. Wilfried Bergmann, Stellvertretender Generalsekretär des DAAD, Mitglied des Lenkungsausschusses Petersburger Dialog
Prof. Dr. Ludmilla Werbizkaja, Rektorin der Staatlichen Universität St. Petersburg, Mitglied des Lenkungsausschusses Petersburger Dialog
Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit
1. Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass die Zahl der Studenten, Graduierten und Wissenschaftler, die zu wissenschaftlichen Kontakten aus Russland nach Deutschland gekommen sind, auch in der Zeit seit dem Petersburger Dialog in Dresden deutlich gestiegen ist und wertet dies als Erfolg der gemeinsam durchgeführten Marketingmaßnahmen. Besonders positiv sind auch die beiden Matching-Funds-Programme „Michail Lomonossov“ und „Immanuel Kant“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Russischen Föderation zu bewerten.
Leider konnte die Zahl der Deutschen, die im vergleichbaren Zeitraum in die Russische Föderation zu fachlichen und wissenschaftlichen Aufenthalten gereist sind, nicht im gleichen Maße gesteigert werden, obwohl das deutsche Ministerium für Bildung und Forschung durch die vom DAAD durchgeführten Kampagnen „Go out“ und „Go East“ Werbemaßnahmen für den Studien- und Wissenschaftsstandort Russland durchgeführt hat. Die Arbeitgruppe ermuntert die russischen Hochschulen Ihre Werbung für einen Studien- und Forschungsaufenthalt in Russland zu verstärken; die deutsche Seite bietet dafür Ihre Unterstützung an.
2. Mit großer Zufriedenheit nimmt die Arbeitgruppe zu Kenntnis, dass die fachliche Zusammenarbeit in den Bereichen Medizin und Logistik auch in Folge der in Dresden unterzeichneten Protokolle, deutlich verstärkt werden konnte.
2.1 Hierbei sind besonders hervorzuheben die Aktivitäten im medizinischen Bereich des Deutsch-Russischen Koch-Metschnikow-Forums (KMF). Die Arbeitsgruppe unterstützt die Ziele des KMF, insbesondere
– die Errichtung von medizinischen Kompetenzzentren in Russland zur Sicherung der ständigen Präsenz für wissenschaftliche Forschung, Ausbildung und Krankenversorgung in St. Petersburg und Tomsk;
– die Organisation von gemeinsamen Ringvorlesungen, Kongressen, Summer Schools, wie z.B. das für Dezember 2007 mit dem DAAD geplante Seminar für Krankenhausadministratoren;
– die Austausch- und Weiterbildungsprogramme für Wissenschaftler, Ärzte, Studenten, medizinisches Personal und Praktikanten, insbesondere den geplanten Aufbau einer medizinischen Fakultät in Kaliningrad und eines Gesundheitszentrums in Swenigorod;
– Einrichtung von Sprachzentren zum Erlernen von fachspezifischem Deutsch/Russisch;
– den Ausbau einer deutsch-russischen medizinischen Fachzeitschrift, die bereits in 2 Ausgaben erschienen ist;
Die durchgeführten Fachkonferenzen für Mediziner, wie zum Beispiel die Deutsch-Russische Konferenz zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten und die eHealth-Konferenz in Tomsk im September 2007 haben die Bedeutung dieser Aktivitäten gezeigt. Die Arbeitsgruppe unterstützt auch den Vorschlag der Sankt-Petersburger Universität, im Bereich moderner Biopharmakologie von Infektionskrankheiten gemeinsame Programme zur Entwicklung und Vermarktung neuer Medikamente aufzubauen, sowie den Tätigkeitsbereich des Koch-Metschnikow-Forums auf die Herz- und Gefäßkrankheiten und elektronische Gesundheitspässe auszuweiten.
2.2 Die Arbeitsgruppe nahm mit großen Interesse den Bericht der Sektion Logistik/Supply Chain Management zu Kenntnis, dem zu Folge die Zusammenarbeit mit der Akademie für Volkswirtschaft der Regierung der Russischen Föderation, insbesondere in grundlegenden Fragen der fachlichen Zusammenarbeit fortgesetzt wird, mit der Moskauer Staatsuniversität und der European Business School (EBS) in Wiesbaden ein Ausbildungsprogramm entsteht.
2.3 Gleichzeitig gründen russische und deutsche Unternehmen einen Fonds zur Finanzierung einer Professorenstelle an der High School of Management der Sankt-Petersburger Universität. Die Arbeitsgruppe ermuntert die Kollegen in diesen für die Zusammenarbeit beider Länder besonders gefragten Bereichen ihre Kontakte weiter zu vertiefen und in konkrete Programme zu überführen.
3. Der Petersburger Dialog nimmt zustimmend zu Kenntnis, dass die Technische Universität München und die Moskauer Staatliche Baumann Universität die Initiative ergriffen haben, eine gemeinsame internationale Lehr- und Forschungseinrichtung ins Leben zu rufen, die den Namen „Deutsch-Russisches Institut für Wissenschaft und Technologie (GRIST)“ erhalten wird und von einer noch zu gründenden internationalen Stiftung getragen werden soll. Die neue bilaterale Einrichtung soll sowohl der forschungsgeleiteten Ausbildung naturwissenschaftlich-technischer Eliten sowie dem Technologietransfer dienen. Mittelfristig sollen weitere Spitzenuniversitäten in die Zusammenarbeit aufgenommen werden.
4. Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass sich die Verbindungen zwischen Deutschland und Russland im Bereich der Grundlagenforschung in den vergangenen Jahren stetig weiter entwickelt haben. Dies bezieht auch die Zusammenarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften mit ein. So fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gemeinsam mit der Russischen Stiftung für die Geistes- und Sozialwissenschaften deutsch-russische Kooperationsprojekte, die sich mit historischen, soziologischen und juristischen Forschungsthemen befassen. Die DFG berichtete über diese wie über Aktivitäten in anderen Fachgebieten, so fand ein Rundgespräch zur Altertumswissenschaften statt, besuchte eine hochrangige Gruppe russischer Chemiker der Russischen Akademie der Wissenschaften Forschungseinrichtungen in Deutschland, ist eine Gruppe von Biologen aus Universitäten und Instituten in Deutschland nach einem ersten gemeinsamen Workshop dabei, eine enge Kooperation mit dem Institut für Meeresbiologie in Vladivostok aufzubauen.
Mit Unterstützung des DAAD wird die Tätigkeit des Zentrums für deutsche und europäische Studien an der Sankt-Petersburger Universität sowie das gemeinsame Bildungsprogramm „Europäische Gesellschaft“ erfolgreich durchgeführt.
5. Die Nachwuchsförderung wird aufgrund eines Abkommens der DFG mit der Russischen Stiftung für Grundlagenforschung durch deutsch-russische Graduiertenkollegs gefördert; die erste dieser wissenschaftlichen Doktorandenschulen ( Universitäten Gießen und Marburg sowie Moskauer Staatliche Universität, im Bereich der Biologie) hat ihre Arbeit aufgenommen. Zum anderen finden wissenschaftspolitische Veranstaltungen statt: es ist ein Seminar der DFG mit der Wirtschaftshochschule Moskau geplant, bei dem die Nachwuchsförderung in Deutschland vorgestellt werden soll. Die institutionelle Zusammenarbeit wird ferner durch eine Weiterentwicklung des Systems zur Begutachtung von wissenschaftlichen Kooperationsanträgen vorangetrieben: es ist ein entsprechender Workshop im Bereich der Geschichte und Philosophie geplant.
6. In der Grundlagenforschung geht es auch darum, die wissenschaftlichen Zentren in den Regionen (Ekaterinburg, Novosibirsk, Tomsk, Irkutsk, Vladivostok) in die Zusammenarbeit einzubeziehen und dort die Fördermöglichkeiten vorzustellen.
7. Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass zwischen der russischen Seite, dem Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Gesellschaft für internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWent) die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ingenieurweiterbildung mit einer im Oktober 2007 begonnenen Pilotmaßnahme, die vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert wird, gestartet werden konnte. Die Arbeitsgruppe ermuntert die Träger dieses Programms daraus ein längerfristig konzipiertes Weiterbildungsprojekt, dass Studium und Praxis verbindet, zu entwickeln.
8. Die Arbeitsgruppe begrüßt die Fortentwicklung der vom Petersburger Dialog initiierten Deutsch-Russischen Jugendstiftung. Sie begrüßt dabei in besonderer Weise, dass im Juni 2007 in Wiesbaden zweitägige Gespräche zwischen Jugendführungskräften und Parlamentariern aus Deutschland und Russland, die mit ergebnisorientierten Vorschlägen endeten, durchgeführt wurden. Gleichermaßen wurde positiv zur Kenntnis genommen, dass durch die erneute Tagung des „Deutsch-Russischen Jugend- und Schülerparlaments“ sich eine Kontinuität entwickelt, die den Beziehungen zwischen den beiden Ländern dienlich ist.
Beratungsgegenstände der Arbeitsgruppe
1. Themen von fachübergreifender Bedeutung
Neben den bereits im Abschnitt „Zwischenbilanz“ genannten Aktivitäten konzentrierte sich die Diskussion auf folgende weitere Punkte:
1.1 Strategische Partnerschaft in Bildung, Wissenschaft und Technologie Auf der Basis der in Hannover 2005 unterzeichneten Vereinbarung über die strategische Partnerschaft in den genannten Bereiche haben zwischen dem zuständigen Ministerien und Einrichtungen beider Staaten vielfältige Aktivitäten begonnen mit dem Ziel die Mobilität der Wissenschaftler für gemeinsame Projekte und den weiteren Ausbau der Beziehungen voran zu treiben. Die Arbeitsgruppe würde es begrüßen, wenn die Ministerien beider Länder durch eine „Behördenpartnerschaft“ auch den Austausch ihrer jüngeren Mitarbeiter fördern würden.
1.2 Bologna-Prozeß
Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass der umfangreiche Reform- und Anpassungsprozess zur Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes durch den Bologna Prozess vorrangetrieben wird. Die Arbeitsgruppe würdigt die Vereinbarung beider Seiten auch die russischen Regionen abseits der Metropolen Moskau und St. Petersburg stärker in den bilateralen Wissenschaftstransfer und den Informationsaustausch über den Bologna-Prozess durch themenbezogene Maßnahmen in den sieben föderalen Kreisen der Russischen Föderation einzubeziehen. Zielgruppen der geplanten Veranstaltungen sollen jeweils die Leitungen der regionalen Hochschulen sowie andere interessierte Hochschulvertreter sein. Zu diesen Veranstaltungen sollen in erster Linie Experten entsandt werden. Die Unterarbeitsgruppe, die auf beiden Seiten von der Hochschulrektorenkonferenz betreut wird, wird ermuntert, ihre wichtige Arbeit fortzusetzen.
1.3 Förderung der Sprachen
Die Förderung und Vertiefung der Kenntnisse der Partnersprache bleibt unverändert von grundlegender Bedeutung für die weitere Zusammenarbeit sowie für die wechselseitige emotionale und kulturelle Verbundenheit. Die Arbeitsgruppe bittet deshalb alle in diesem Bereich Tätigen, sich für die Förderung der Sprachkompetenz, insbesondere bei Fachsprachen, im akademischen Bereich beider Länder weiterhin einzusetzen. In diese Bemühungen sollten auch der Deutsche Russischlehrerverband und der Russische Deutschlehrerverband wieder einbezogen werden.
1.4 Deutsch-russisches Geschichtsbuch
Die Arbeitsgruppe begrüßt die Initiative der Schulministerien in beiden Ländern zur Entwicklung eines „Deutsch-Russischen Schulbuchs“ im Bereich der Geschichte, das die gemeinsam historischen Aspekte für den Schulunterricht aufbereitet. Die Komplexität des Themas bedingt, hierzu eine Unterarbeitsgruppe des Petersburger Dialogs einzusetzen. Deshalb bittet die Arbeitsgruppe das Schulministerium des Landes Nordrhein Westfahlen und die Sankt-Petersburger Universität hierfür auf deutscher bzw. auf russischer Seite die Koordination zu übernehmen. Möglich erscheint auch die Entwicklung gemeinsamer Bücher zur Geschichte der deutsch-russischen Geschäftsbeziehungen.
2. Beratung über weitere einzelne Projekte
2.1 Von der Vielzahl der zur Diskussion stehenden Austauschmaßnahmen und Kooperationen im Bereich Bildung, Wissenschaft und Gesundheitsvorsorge konnte die Arbeitsgruppe in der kurz bemessenen Diskussionszeit nur die Aufmerksamkeit auf einige, aus Ihrer Sicht besonders bedeutsame Aktivitäten richten, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, dass weitere Projekte nicht
gleichermaßen förderungswürdig sind.
2.2 Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und die Russische Agentur für Atomenergie (ROSATOM) beschlossen haben, in Moskau ein gemeinsames Institut zu gründen. Das FAIR-Russia Research Centre (FRRC) wird gemeinsam durch ROSATOM und die Helmholtz-Gemeinschaft mit je 1,3 Millionen Euro finanziert und soll insbesondere exzellenten russischen Nachwuchswissenschaftlern ermöglichen, am Aufbau von FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research, Darmstadt) mitzuwirken. Zudem hat die Helmholtz-Gemeinschaft zusammen mit dem Russischen Fond für Grundlagenforschung (RFFI) beschlossen, acht Helmholz-Russia Joint Research Groups zu fördern. Die Forschungsgruppen, die sich vorwiegend aus deutschen und russischen Nachwuchswissen-schaftlern zusammensetzen, erhalten jeweils ein jährliches Budget von 150.000,00 Euro für die Dauer von drei Jahren. Durch diese Maßnahme werden speziell russische Nachwuchswissenschaftler vor Ort gefördert, bei gleichzeitiger Einbindung in die internationale Großforschung der Helmholtz-Gemeinschaft.
2.3 Die Arbeitsgruppe begrüßt, dass die European Business School (EBS) ein Zentrum für Zentral- und Osteuropäische Studien aufbaut, an dem sich neben dem Ostausschuss der deutschen Wirtschaft und dem DAAD auch deutsche Unternehmen, die stark in Russland aktiv sind, engagieren. Im Rahmen des im September 2008 startenden MBA an der EBS mit regionalem Schwerpunkt auf den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) ist auch der Stundentenaustausch mit der High School of Management an der Sankt-Petersburger Universität und eine Zusammenarbeit mit der State University – Higher School of Economics in Moskau geplant. Es wird ferner beabsichtigt, das Thema Gesundheitsmanagement zu einem neuen gemeinsamen Projekt zu machen, im dessen Rahmen ein Ausbildungsprogramm mit Diplomniveau von der EBS und der High School of Management an der Sankt-Petersburger Universität gemeinsam aufgebaut wird.
2.4 Im Bereich Rohstoffe hat im Berichtsjahr das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum seine Arbeit aufgenommen und führt als Begleitveranstaltung zum Petersburger Dialog am 14. Oktober 2007 die Deutsch-Russische Rohstoffkonferenz in Wiesbaden durch. Die Beschlüsse der Rohstoff-Konferenz werden gesondert veröffentlicht.
gez.: Prof. Dr. Ludmilla Werbizkaja, Prof. Dr. Wilfried Bergmann