Sitzung der AG Jugendaustausch, Bildung und Wissenschaft beim 4. Petersburger Dialog, Hamburg, 9.-10. September 2004

Auf ihrer Sitzung beim 4. Petersburger Dialog am 9.-10. September 2004 waren die „Perspektiven der deutsch-russischen Wissenschaftskooperation“ Gegenstand der Beratungen der Arbeitsgruppe.

Koordinatoren:
Prof. Dr. Ljudmila A. Werbizkaja, Rektorin, Staatliche Universität St. Petersburg
Dr. Christian Bode, Generalsekretär DAAD
Berichterstatter:
Prof. Dr. Wladimir Trojan, Prorektor Staatliche Universität St. Petersburg
Prof. Dr. Wilfried Bergmann, Stellvertretender Generalsekretär DAAD

Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit

1. Die Arbeitsgruppe nimmt mit großer Zufriedenheit zur Kenntnis, dass das intensive Bemühen um Verbesserung des Jugendaustausches demnächst durch Unterzeichnung eines Regierungsabkommens einen wichtigen Schritt vorankommen wird. Im Mittelpunkt des Abkommens steht die jugendpolitische Zusammenarbeit, um Jugendlichen aller Regionen beider Länder aus allen gesellschaftlichen Bereichen und Schichten gleiche Zugangschancen zu eröffnen. Gefördert werden insbesondere gemeinsame Veranstaltungen und Maßnahmen zum vertieften gegenseitigen Kennenlernen und zur besseren Verständigung, der Austausch zwischen Schulen und Lehrkräften an Schulen- und Bildungseinrichtungen soll intensiviert werden, gemeinsame Veranstaltungen zu politischen, geschichtlichen, wirtschaftlichen, sozial-ökonomischen und rechtlichen Themen sollen genauso gefördert werden wie gemeinsame kulturelle, wissenschaftliche, technische und sportliche Aktivitäten. Die Absicht, dass aus beiden Staaten je ca. 4 Millionen Euro zu-sätzlich bereitgestellt werden, ermöglicht eine deutliche Verbesserung des Austausches junger Menschen. Die Arbeitsgruppe ist bereit, auch künftig den Jugendaustausch engagiert zu begleiten. Sie dankt insbesondere den Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, dem Deutsch-Russischen Forum, dem DAAD und der Robert-Bosch-Stiftung für die Unterstützung dieses Vorhabens, das damit zu einem der erfolgreichsten Projekte des Pe-tersburger Dialogs geworden ist.

2. Weiter kann die Arbeitsgruppe Fortschritte insbesondere bei folgenden vom Petersburger Dialog unterstützten Themen feststellen:
Durch die Verbesserung bei bilateralen Visabestimmungen konnten Hemmnisse im Jugendaustausch beseitigt werden. Erleichterung bei Akkreditierungs- und Registrierungs-fragen müssen noch vereinbart werden, um weitere administrative Schwierigkeiten zu minimieren (vgl. Ziff. 3.2).

2.1. Die Arbeitsgruppe begrüßt den Beitritt Russlands zur Bologna-Vereinbarung im September 2003 in Berlin. Damit werden weitere wichtige Themenfelder für die bilaterale Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft eröffnet, denen sich auch die Arbeitsgruppe und ihre Mitglieder künftig widmen werden.
2.2. Weiter hat die Arbeitsgruppe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Zahl der Studenten und Graduierten aus Russland in Deutschland deutlich gestiegen ist, was auch mit den gemeinsam durchgeführten Marketingmaßnahmen erreicht wurde. Besonders positiv ist zu bewerten, dass auch das Interesse des deutschen wissen-schaftlichen Nachwuchses an Russland wächst, auch wenn die Austauschzahlen noch besser ausbalanciert werden müssen.
2.3. Positiv wurde weiter zur Kenntnis genommen, dass die Zentren für Recht und Wirtschaft in Moskau sowie für Soziologie in St. Petersburg ihre Arbeit aufgenommen haben. Die Arbeitsgruppe regt an, diesen Weg exzellenter, kooperativer Einrichtun-gen auch für andere Fachrichtungen, insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich, fortzusetzen.

Themen der Arbeitsgruppe

1. Fragen von fachübergreifender Bedeutung

1.1. Bologna-Prozess
Der Bologna-Prozess erfordert von beiden Ländern umfangreiche Reformen und Anpassungsprozesse auf dem Wege zu einem europäischen Hochschulraum. Der Petersburger Dialog begrüßt deshalb die Absicht in beiden Staaten, in einen intensiven Erfahrungsaustausch zu diesem Thema einzutreten, der sich zunächst auf die Umsetzung des zweistufigen Studiensystems und die Neugestaltung der Curricula konzentrieren soll. Parallel dazu soll die Frage der Standards der Akkreditierung und der Qualitätssicherung in Russland und Deutschland diskutiert werden. Dabei empfiehlt die Arbeitsgruppe den Hochschulvertretungen beider Länder, in Zusammenarbeit mit den Bildungs- und Wissenschaftsorganisationen hierfür die Initiative zu übernehmen. Die Arbeitsgruppe stimmt zur Begleitung des Bologna-Prozesses der Einsetzung einer Unterarbeitsgruppe des Petersburger Dialoges zu, die auf deutscher Seite unter Federführung der Hochschulrektorenkonferenz steht. Auf russischer Seite übernimmt zunächst Frau Professor Werbitzkaja die Koordination. In dieser Arbeitsgruppe, für die jede Seite 4-6 Personen benennen wird, sollen auch die Möglichkeiten des Bologna-Prozesses zur Schaffung von Doppeldiplomen und zur Integrierung von Abschlüssen und weitere Möglichkeiten zur gemeinsamen Doktorandenausbildung diskutiert werden, um die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Positionierung der Hochschulen im künftigen europäischen Bildungs- und Forschungsraum zu stärken. Die Arbeitsgruppe unterstützt das Projekt „Hochschulen fit für Bologna“ durch das im Rahmen einer Bildungsinitiative ein Netzwerk deutsch-russischer Studiengänge zum Aufbau neuer internationaler Struk-turen für die Umsetzung der Bologna-Strategie entstehen soll. Längerfristig könnte an integrierte Studiengänge mit Doppeldiplom und die Einführung von Qualitäts-merkmalen wie integrierte und komplementäre Curricula, Modularisierung und Leis-tungskreditpunktsysteme gedacht werden. Dabei sollten die Internationalen Graduiertenkollegs der Deutschen Forschungsgemeinschaft Eingang in die deutsch-russischen Hochschulbeziehungen finden, da die bilaterale Doktorandenausbildung in kleinen Gruppen eine umfassende, sich ergänzende Betreuung in gemeinsam zu bestimmenden Gebieten ermöglicht und auch Verständnis für die Kultur des jeweils anderen Landes vermittelt.

1.2. Förderung der Sprachen
Unverändert bleibt die Frage der Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse der Partnersprachen von grundlegender Bedeutung für die weitere Zusammenarbeit sowie für die wechselseitige kulturelle und emotionale Verbundenheit. Dabei erachtet es die Arbeitsgruppe für unabdingbar, die Förderung der Fachsprachen im akademischen Bereich in beiden Ländern deutlich zu intensivieren. Hierzu gehören sowohl die Intensivierung der Russisch- bzw. Deutschlehrerausbildung wie der Ausbau von Sprachassistentenprogrammen, aber insbesondere der Ausbau von Programmen für gemeinsame Fachübersetzerausbildungen. Ein Pilotprojekt könnte das Vorhaben der Universitäten Hildesheim und Rostov am Don zum Aufbau einer Fachübersetzerausbildung im Bereich der Naturwissenschaften sein. Für den Bereich der Rechtswissenschaften sind die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst initiierten Übersetzungsprogramme für grundlegende Gesetze und Monographien Ausgangs-punkt einer entsprechenden Fachübersetzerausbildung.

1.3. Themenorientierte Informationsnetze
Der gesamte Wissenschaftsbetrieb erfährt grundlegende Veränderungen durch den zunehmenden Einsatz digitaler Medien. Digitale Netze eröffnen neue Wege für internationale Kooperationen im Bereich der Informationsvermittlung. Der Petersburger Dialog begrüßt deshalb die thematische und räumliche Erweiterung der Zusammenarbeit der deutschen und russischen Fachinformationszentren und desgleichen die Bestrebungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, eine Intensivierung internationaler Kooperationen von Informationseinrichtungen, insbesondere Bibliotheken, anzustreben. Für den deutsch-russischen Bereich könnte dabei auch die vom DAAD geförderte Langzeitdozentur für die Ausbildung von Hochschulbibliothekaren, die in Zusammenarbeit mit dem Moskauer Bibliotheksinstitut erfolgt, einbezogen werden.
Mit Blick auf den Aufbau eines europäischen Bildungs- und Forschungsraumes kommt der Frage der Informationsvermittlung und Verarbeitung eine zunehmend prioritäre Bedeutung zu.

1.4. Konzept für eine strategische Kooperation in Forschung, Technologie und Innovation
Die Arbeitsgruppe unterstützt die Überlegungen für eine gemeinsame strategische Kooperation in Forschung, Technologie und Innovation zwischen beiden Staaten, durch die die Aktivitäten der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen beider Länder eingebunden werden sollen. Die Weiterentwicklung dieses Konzeptes ist wichtig, weil bereits jetzt die russischen Gastwissenschaftler an den deutschen Forschungsinstituten die größte ausländische Gruppe darstellen und damit ein Beleg für das hohe Niveau der wissenschaftlich-technischen Bildung und Forschung in Russland sind. In diesem Kontext beobachtet die Arbeitsgruppe mit besonderer Aufmerksamkeit die Bemühungen, im Bereich der Innovation und des Technologietransfers voneinander zu lernen. Die russische Seite legt großen Wert auf die deutschen Erfahrungen bei der Forschungsförderung mit öffentlichen Mitteln, der stärkeren Ausrichtung der Forschung auf Anwendungsnähe und der Nutzung der Forschungsergebnisse für die Entwicklung marktfähiger Produkte. Die deutsche Seite profitiert sowohl von einem besseren Verständnis für Planung und Durchführung innovativer Vorhaben mit russischen Partnern wie auch von einem vereinfachten Zugang für deutsche Wissenschaftlergruppen zu den wissenschaftlichen Potentialen in Russland.

1.5. Weiterbildung im akademischen Bereich
Entsprechend dem Prinzip des lebenslangen Lernens kommt der Weiterbildung in akademischen Bereichen immer größere Bedeutung zu. Derzeit bietet z. B. das „Bundeskanzler Stipendienprogramm“ der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) wie das Stipendienprogramm für Nachwuchsmanager des Russischen Präsidenten bereits in einem frühen Karrierestadium die Möglichkeit zu Studien- und Forschungsaufenthalten in Deutschland. Die Arbeitsgruppe begrüßt deshalb den Vorschlag der AvH, 2005 in Zusammenarbeit mit den beiden Außenministerien ein Rundtischge-spräch mit zurückgekehrten Stipendiaten und Medienvertretern in Moskau durchzuführen. Die Arbeitsgruppe dankt der deutschen Wirtschaft für die bisher fünfjährige Förderung des Russland-Fonds der Deutschen Wirtschaft und ermuntert dazu, dieses erfolgreiche Programm fortzuführen. Die Arbeitsgruppe würde es begrüßen, wenn es gelänge, die russische Wirtschaft in ein gleichartiges Programm einzubinden. Darüber hinaus wird angeregt, auch für andere Berufsbereiche und für das Hochschulmanagement die Weiterbildung im akademischen Bereich zu forcieren. Die Arbeitsgruppe regt deshalb an, dass im Rahmen des zu entwickelnden Konzeptes für eine „Deutsch-Russische Bildungsinitiative“ dem Feld der Weiterbildung im akademischen Bereich besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.

2. Empfehlung für einzelne Projekte

Auf Grund der Vielzahl der Austauschmaßnahmen und Kooperationen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich konnte die Arbeitsgruppe in der kurzen Diskussionszeit die Aufmerksamkeit nur auf einige wenige, aus ihrer Sicht künftig besonders zu fördernde Aktivitäten richten, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, dass weitere Projekte nicht gleichermaßen förderungsfähig sind.

2.1. Die akademische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland hat vielen tausenden russischen und deutschen Studenten, Doktoranden und Wissenschaftlern ermöglicht, Fachkenntnisse zu vertiefen und internationale Erfahrung zu sammeln. Diese positive Entwicklung sollte durch Stärkung der neuen Maßnahmen wie Stipendien an russische Graduierte für Master- und Aufbaustudiengänge in Deutschland, Motivierung deutscher Studenten zu Studienaufenthalten in Russland im Rahmen des deutschen Programms „Go East“ und Nutzung der bilateralen gemeinsam finanzierten Programme wie „Lomonosow“ und „Wawilow“ für russische Aspiranten und junge Hochschullehrer der Natur- und Ingenieurwissenschaften weiter entwickelt werden. Die Arbeitsgruppe begrüßt die Ausdehnung dieser Aktivitäten auf den Bereich der Umwelt- und landwirtschaftlichen Wissenschaften und sieht in der Form der gemeinsamen Finanzierung ein Modell für die zukünftige Zusammenarbeit.

2.2. Bei der wissenschaftlichen Kooperation genießt die längerfristige Zusammenarbeit eine besondere Priorität. Wie bereits im Petersburger Dialog 2003 festgestellt, ist deshalb die Unterstützung von fachbezogenen Zentren besonders wünschenswert. Die Arbeitsgruppe nimmt mit wohlwollender Unterstützung die positive Entwicklung in den vom DAAD getragenen Zentren für deutsches Recht sowie für Wirtschaftswis-senschaften in Moskau und dem Zentrum für Soziologie an der Universität St. Petersburg zur Kenntnis. In diesem Zusammenhang unterstützen die Teilnehmer der Arbeitsgruppe die Errichtung eines Deutsch-Russischen Zentrums für Physik an der Universität St. Petersburg und eines Deutsch-Russischen Masterstudienganges „Angewandte und Komputationalphysik (ACP)“ ab Herbst 2005 in Kooperation zwischen der Technischen Universität München, der Universität Leipzig und der Technischen Universität Ilmenau sowie der Universität St. Petersburg und weiteren St. Petersburger Hochschulen.

2.3. Rahmen einer längerfristigen wissenschaftlichen Kooperation könnten ferner die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichteten koordinierten Programme sein. So bieten die Forschergruppen, Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereiche, Schwerpunktprogramme oder Forschungszentren mit ihren internationalen Komponenten die Möglichkeit, mit russischen Arbeitsgruppen langfristig finanziell gesichert an einem gemeinsam definierten Projekt zu arbeiten und Felder komplementärer Expertise zu nutzen.

2.4. Während der Sitzung der Arbeitsgruppe teilte die russische Seite mit, dass die Initiative der Krupp-Stiftung und der Zeit-Stiftung in Moskau ein Deutsches Historisches Institut (DHI) einzurichten, durch Erteilung der Akkreditierung einen weiteren Schritt vorangekommen ist. Dies wird begrüßt, weil damit die Realisierung eines seit längerem vom Petersburger Dialog unterstützten Projektes absehbar wird.

2.5. Mit positivem Interesse hat die Arbeitsgruppe zur Kenntnis genommen, dass die russischen Partner intensiv an der Planung zweier internationaler Großprojekte der physikalischen Grundlagenforschung mitwirken: der Freie-Elektronen-Laser im har-ten Röntgenbereich XFEL in Hamburg (bei DESY) und der Beschleunigeranlage FAIR für die Hadronen- und Kernphysik FAIR in Darmstadt (bei GSI). Die deutschen Partner laden die russische Seite ausdrücklich ein, sich aktiv am Bau und am späte-ren Betrieb der beiden weltweit einzigartigen Großanlagen zu beteiligen.

2.6. Begrüßt wird von der Arbeitsgruppe, dass das Instrument von Fachvereinbarungen in naturwissenschaftlichen Themenbereichen um weitere ergänzt werden soll. Besondere Aufmerksamkeit verdient insoweit der Bereich der Geowissenschaften. Hier gibt es bereits zahlreiche bilaterale Aktivitäten, insbesondere das Geoforschungszentrum der Akademie der Wissenschaften der Russischen Föderation in Potsdam. Auch hier wird das Ziel begrüßt, durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen geeigneten deutschen und russischen Partnern wesentliche Erleichterungen bei der Durchführung dieser Vorhaben zu erwirken. Ein weiterer Schritt wäre die Einbindung russischer Partner in das Internationale Kontinentale Bohrprogramm (ICDP).

2.7. Positiv wird auch die erfolgreiche Kooperation im Weltraumforschungsbereich gese-hen, insbesondere beim Betrieb der internationalen Raumstation ISS und als Teil multilateraler Aktivitäten im ESA- und EU-Rahmen. Beispielhaft stehen dafür Arbei-ten zum europäischen zivilen Satellitennavigationssystem Galileo, zur Fernerkundung, Geoinformatik, Kommunikations- und Materialforschung, die schrittweise erweitert werden sollen. Die Arbeitsgruppe erhofft sich, dass vom Deutsch-Russischen Weltraumabkommen neue Impulse ausgehen werden.

2.8. Nachhaltig ergänzt wird die bilaterale Forschungskooperation durch die Zusammen-arbeit Deutschlands und Russlands im internationalen Vereinigten Institut für Kernforschung in Dubna auf dem Gebiet der Kernphysik sowie im Rahmen der internationalen Vereinigung INTAS in Brüssel für den zivilen Bereich und des internationalen Wissenschafts- und Technologiezentrums in Moskau für den Sektor der ehemaligen Waffenwissenschaftler. Die Arbeitsgruppe stellt mit großer Genugtuung fest, dass Deutschland und Russland bei den genannten multilateralen Initiativen zu den ak-tivsten Kooperationspartnern zählen und im Rahmen dieser Programme die größte Anzahl bilateraler Kooperationsverbindungen entwickeln konnten. Dies ist ein weite-res Beispiel für die gute Zusammenarbeit deutscher und russischer Einrichtungen in internationalen Gremien.

2.9. Die Arbeitsgruppe begrüßt die gemeinsame Einrichtung einer kooperativen Fakultät für Polar- und Meeresforschung an der Universität St. Petersburg zusammen mit deutschen Universitäten und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Bremerhaven). Ziel der Maßnahme ist, die praxisorientierte Ausbildung in modernen angewandten Themenfeldern der Polar- und Meeresforschung auf hohem internationalen Niveau zu gewährleisten. Gleiches gilt für mehrere Helmholtz Zentren aus dem Forschungsbereich Gesundheit, wie die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (Braunschweig), das Deutsche Krebsforschungszentrum (Heidelberg) und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (Berlin-Buch), die ein großes Interesse an der Schaffung eines deutsch-russischen Zentrums für Bioinformatik und Systembiologie haben. Durch ein solches Zentrum soll die fachübergreifende Zusammenführung der Kompetenzen beider Länder zum Zwecke der Exzellenzbildung erreicht werden. Das Thema Gesundheit und die in diesem Zusammenhang geforderte kostengünstigere Entwicklung von biomedizinischen Wirkstoffen hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz für beide Partnerländer und kann durch die Fortentwicklung rechnergestützter Verfahren in der Biologie zielführend angegangen werden. Das Zentrum sollte interdisziplinär aus Biologen, Chemikern, Mathematikern und Informatikern zusammengesetzt sein.

2.10. Die Arbeitsgruppe würde es begrüßen, wenn russische Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen mit ihren deutschen Partnern virtuelle Institute einrichten bzw. diese in bestehende virtuelle Institute einbinden würden. Durch eine derartige Maßnahme könnte die internationale Zusammenarbeit sowie die gemeinsame und wechselseitige Nutzung von Kompetenzen in diesen Bereichen sicherge-stellt und ausgebaut werden.

2.11. Die Anregung der gemeinsamen Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen wird aufgegriffen, für den Dialog 2005 eine Unterarbeitsgruppe „Geschichte“ einzuplanen. Gerade das nächste Jahr bietet einen geeigneten Ansatzpunkt mit seinen vielfältigen Erinnerungen an das Kriegsende 1945. Dabei ist es zweckmäßig, dieses Thema nicht rein historisch anzugehen, sondern darüber nachzudenken, wie die Erinnerung an den Krieg und sein Ende das historisch-politische Selbstverständnis seit 1945 bis heute in der Sowjetunion und in Russland, im geteilten und dem wiedervereinigten Deutschland geprägt hat. Die Bedeutung des Zweiten Weltkrieges für die sich wandelnde Erinnerungskultur in Deutschland und Russland wäre ein Themenkomplex, an dem sich die aktuelle politische und gesellschaftliche Bedeutung historischer Erinnerungen in einem zivilgesellschaftlichen Dialog besonders anschaulich machen ließe.

2.12. Die Arbeitsgruppe begrüßt das am 3. September 2004 verabredete Projekt Berliner und Russischer Medizinischer Institute und Einrichtungen, im Bereich der Seuchen und Infektionskrankheiten, insbesondere Tuberkulose, AIDS und Hepatitis, sowie bei Blutprodukten und im Transfusionswesen intensiver zusammen zu arbeiten. Das Problem der weltweit steigenden Prävalenz sowie der steigenden Inzidenz von multi-resistenten Stämmen der Erreger erfordert eine stärkere Kooperation der Fachwissenschaftler, wobei auf die bisherigen fruchtbaren Erfahrungen auf dem Gebiet der Tuberkuloseforschung zurückgegriffen werden kann. Erstrebenswert wäre deshalb der baldige Aufbau eines gemeinsamen deutsch-russischen Institutes, das Träger der Zusammenarbeit in diesen Bereichen sowohl für die Ausbildung wie für gemeinsame Forschungsprojekte sein könnte.

2.13. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe befürwortet die Initiative deutscher und russischer juristischer Institute und Einrichtungen zum Aufbau eines Deutsch-Russischen Juristischen Zentrums in Form einer nicht-rechtsfähigen, flexiblen Kooperationseinrichtung mit dem Ziel, die deutsch-russische, aber auch die europäisch-russische Zusammenarbeit im Bereich des Rechts zwischen den Hochschulen sowie auf der Ebene der Rechtspraxis zu stärken.

2.14. Die Arbeitsgruppe begrüßt den Vorschlag, dass zwischen Deutschland und Russland die Frage der künftigen Versorgung mit Rohstoffen stärkere Beachtung findet. Die bisherigen guten Beziehungen zwischen einzelnen Universitäten sollen durch erweiterten Austausch vertieft und zu einer verstärkten Kooperation im Bereich der Nutzung vorhandener und Entwicklung neuer Rohstoffe führen. Die über 300-jährige freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Technischen Hochschulen in Freiberg und St. Petersburg könnte hierbei eine federführende Rolle spielen.

3. Ausblick auf den Petersburger Dialog 2005

3.1. Die Arbeitsgruppe empfiehlt dem Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, auch im Jahre 2005 das Thema Bildung und Wissenschaft zu einem der zentralen Themen zu machen. Dabei verdienen u.a. folgende Themen besondere Aufmerksamkeit:
– die wechselseitige Anerkennung von Zeugnissen, Diplomen, aber auch Studienleistungen und akademischen Graden;
– die Qualitätssicherung der Ausbildung;
– die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses;
– die zunehmende Einführung von Studiengebühren in beiden Ländern.

3.2. Mit allgemeiner Zustimmung wurde der Vorschlag aufgenommen, sich gegenseitig zu wichtigen Konferenzen und Veranstaltungen einzuladen.

3.3. Die weitere Intensivierung deutsch-russischer Kooperationen im Bereich von Wis-senschaft und Forschung sollte von einer engeren Zusammenarbeit der Wissenschafts- und Forschungsförderungsorganisationen begleitet werden. Hier ist die Entwicklung gemeinsamer Fördermechanismen anzustreben, um die Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Forschung auf eine transparente und tragfähige Grundlage zu stellen. Dies ist auch mit Blick auf den Aufbau des Europäischen Forschungsraumes ein wichtiges Ziel.

3.4. Bis zum Petersburger Dialog 2005 wäre es wünschenswert, wenn die derzeitigen administrativen Schwierigkeiten bei der Akkreditierung und Registrierung in der Russischen Föderation beseitigt werden könnten. Es wird dabei an den Vorschlag der Arbeitsgruppe des Petersburger Dialoges 2003 erinnert, in dem die zuständigen Stellen in beiden Staaten gebeten werden, für die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Wissenschaft den sich im jeweils anderen Staat aufhaltenden Personen uneingeschränkte Reisefreiheit innerhalb ihres Staates zu gewähren. Ebenso wird an die Möglichkeit erinnert, diese Personen mit besonderen Ausweisen auszustatten, wie diese im jeweils anderen Land für andere Berufsgruppen, wie Journalisten, Wirtschaftsvertreter üblich sind.

3.5. Weitere Themen konnten aus Zeitmangel noch nicht behandelt werden, sollten aber zur Agenda der weiteren Arbeit gehören:
– Schaffung vergleichbarer Strukturen im Hochschulbereich in beiden Staaten;
– Aufbau einer Deutsch-Russischen Universität, wobei ein Modell das einer Holding sein könnte.
Es wird deshalb dem Lenkungsausschuss vorgeschlagen, im Frühjahr 2005 eine Zwischenkonferenz durchzuführen.

Prof. Dr. Wladimir Trojan, Prof. Dr. Wilfried Bergmann