Sitzung der AG Politik beim 2. Petersburger Dialog, Weimar, 8.-10. April 2002

Die Arbeitsgruppe Politik befasste sich beim 2. Petersburger Dialog in Weimar mit dem Thema „Krisenprävention und vorausschauende Friedenspolitik“.

Leitmotiv der Diskussion war die Feststellung, dass nach Ende des Ost-West-Konfliktes noch kein gesamteuropäisches Sicherheitsverständnis und -system entstanden sei. Internationale Organisationen, wie OSZE, UNO und NATO, hätten einen substantiellen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen. Angesichts der Tatsache, dass der Bau des „gemeinsamen europäischen Hauses“ noch in vollem Gange ist, müssten Deutschland und Russland gemeinsame Sichtweisen gegenüber globalen Sicherheitsbedrohungen entwickeln und diskutieren, welchen Beitrag sie gemeinsam zur Gestaltung der entstehenden Architektur leisten können.

Unter den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen wurden u.a. die zunehmende Destabilisierung in Nahost und anderen Krisenregionen thematisiert. Tendenzen von Entstaatlichung (Bürgerkriege) wurden ebenso wie die Gefahr des Terrorismus und die Proliferation von Nuklear- und Massenvernichtungswaffen hervorgehoben. Angesichts dieser Bedrohungen erscheint Krisenprävention und vorausschauende Friedenspolitik von höchster Aktualität und Brisanz im deutsch-russischen Dialog.

Dabei dürfe man sich nicht scheuen, regionale Problemzonen offen zu benennen. Schließlich müssten Maßnahmen zur Konfliktprävention, um effektiv zu sein, auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten werden. Auf dem Balkan sind im Rahmen der Friedensmissionen in Bosnien-Herzegowina und Kosovo sowie des Stabilitätspaktes für Südosteuropa gemeinsame Erfahrungen gewonnen worden. Es bleibt zu prüfen, inwieweit Lehren auf andere Regionen übertragen werden können. Zentralasien und der Kaukasus stehen zuvorderst auf der Agenda. Aber auch eine mögliche Militärintervention gegen Irak mit ihren zu erwartenden destabilisierenden Begleiterscheinungen in der Region sollte Gegenstand der Erörterungen bleiben.

Letztlich gehe es darum, einen „offensiven Dialog“ über eine gemeinsame Politik der Friedenssicherung in ihren verschiedensten Facetten zu entwickeln. Dieser könnte auf Ansätze in der deutsch-russischen Zusammenarbeit zurückgreifen, die es weiterzuentwickeln gilt. Eine aktive Menschenrechtspolitik und die Stärkung des Völkerrechts, Kooperation bei der inneren Sicherheit (Polizeiwesen, Migration und Asyl), Energiepolitik und langfristige strukturelle Krisenprävention im globalen Maßstab gelte es weiterzuentwickeln.

Folgenden Themen, schlossen die Teilnehmer, könne und solle sich der Petersburger Dialog in Zukunft annehmen:

– Deutsch-russische Zusammenarbeit als Motor, um die Effizienz und Handlungsfähigkeit der internationalen Organisationen und regionalen Zusammenschlüsse zu stärken, insonderheit der UNO als einziger Organisation mit globaler Legitimität und der OSZE als gesamteuropäischer Sicherheitsstruktur. Denn den globalen Herausforderungen könne nur auf Basis einer tragfähigen Sicherheitspartnerschaft, nicht durch Unilateralismus, begegnet werden.

– Die Fortentwicklung des Verhältnisses Russlands zu den transatlantischen Institutionen. Vor allem in Bezug auf die NATO besteht weiterer Diskussionsbedarf im Hinblick auf das gemeinsame Gremium „20er-Rat“.

– Annäherung Russlands an die EU. Aufgaben bei der Etablierung eines Wirtschafts- und Sozialraumes in Europa. Rolle und Verantwortung Russlands und Deutschlands.

– Kaliningrad – gemeinsamer Ansatz mit dem Ziel, eine mögliche Isolation Kaliningrads nach der EU-Erweiterung durch das Schengen-Regime zu verhindern (zum Beispiel durch entsprechende Grenz-, Visa- und Transitbestimmungen). Die russische Bevölkerung müsse weiter mit ihrem Mutterland kommunizieren können.

– Dialog zivilgesellschaftlicher Akteure in Zentralasien zum Thema „politischer Islam und säkularer Staat“.
– Erfahrungsaustausch über Zivildienste in beiden Ländern.
– Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa.
– Herausforderung durch die Globalisierung von Extremismus und Terrorismus.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Thema Friedenspolitik auf der Agenda des Petersburger Dialogs bleiben sollte. Künftig sollte es jedoch darum gehen, die Diskussion entlang der genannten Themen und Fragen inhaltlich stärker zu fokussieren und vor allem zivilgesellschaftliche Akteure auf breiterer Basis einzubeziehen.

Moderator: Oleg W. Morosow, Abgeordneter der Staatsduma, Leiter der Fraktion „Regiony Rossii“
Koordinator: Dr. Uwe Optenhögel, Internationaler Dialog, Direktor, Friedrich- Ebert-Stiftung
Berichterstatterin: Dr. Marie-Janine Calic, Stabilitätspakt für Südosteuropa