Sitzung der AG Wirtschaft beim 4. Petersburger Dialog in Hamburg, 9.-10. September 2004

„Jenseits von Öl und Gas – bilaterale Kooperation, Mittelstand und Wettbewerbsfähigkeit“ – unter diesem Thema gliederte sich die Arbeit der der Arbeitsgruppe Wirtschaft diesmal in drei Schwerpunkte:
1. Outsourcing. Was können Großunternehmen tun, um Aufgaben an Mittelständler abzugeben, die eigene Fertigungstiefe zu verringern und gleichzeitig Wertschöpfung in neuen, innovativen Unternehmen zu kreieren?
2. Schaffung von Rahmenbedingungen für KMU (Sonderwirtschaftszonen, Freihandelszonen, Industrieparks, E-Government)
3. Finanzierung. Wie kann innerhalb der deutsch-russischen Wirtschaftskooperation die Finanzierung deutscher und russischer mittelständischer Projekte verbessert werden?

Der Koordinator des Petersburger Dialogs von russischer Seite Michail Gorbatschow eröffnete die Sitzung der Arbeitsgruppe Wirtschaft. Er lobte das Transform-Programm der Bundesregierung für die sehr effektive Hilfe beim Aufbau einer KMU-Struktur in Russland. Die russischen Instrumente zur Mittelstandsförderung seien bislang nicht sehr weit entwickelt. Präsident Gorbatschow erbat daher konkrete Hinweise und Hilfestellung für russische Verbände und Kammern in diesem Bereich.

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft Dr. Klaus Mangold charakterisierte die Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen als hervorragend. Der deutsch-russische Außenhandel habe sich 2004 um 25 Prozent nach oben entwickelt. Die Russische Föderation sei der größte Ölexporteur für Deutschland und habe ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent im I. Halbjahr realisiert. Allerdings müsse dieses Wirtschaftswachstum auch durch eine Diversifizierung der russischen Wirtschaft unterlegt werden. Dabei seien KMUs besonders wichtig.

Boris Aljoschin, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe auf russischer Seite, charakterisierte das sowjetische Erbe in Bezug auf Wirtschaftsstruktur als sehr schwierig. In der Sowjetunion habe es keinerlei KMUs gegeben. Auch die Schwäche des Systems der verfassten Wirtschaft in Russland trage zur Schwäche der KMU-Entwicklung bei. Die zentralen Fragen der Wirtschaftsentwicklung seien die Fragen nach einem flexiblen System der KMU-Förderung einerseits und dem Verhältnis von Großindustrie und Mittelstand andererseits. Außerdem müsste besonders Wert auf innovative KMUs gelegt werden. Dabei habe Russland bislang nur wenige Erfolge erzielt.

Dr. Feldmann, Mitglied des Vorstandes der BASF AG, führte die Chemie-Industrie in Deutschland als gutes Beispiel einer effektiven Zusammenarbeit von Groß- und Kleinunternehmen an. So biete die BASF AG ihren mittelständischen Kunden nicht nur ihre Produkte, sondern auch das gesamte Know-how an. Das mache die Komplexität im Produktionsprozess geringer und verringere die Kosten für Großunternehmen.

Ähnlich äußerte sich Rudi Lamprecht, Vorstandsmitglied bei Siemens. Zz. würden nur maximal 50 Prozent der Wertschöpfung bei Siemens direkt erbracht. Der Konzern verstehe sich eher als Systemintegrator. Das zentrale Problem in der Zusammenarbeit mit Zulieferern sei eine langjährige Vertrauensbasis, die zu einer unbedingten Verlässlichkeit der Zulieferer führe. Siemens betreibe den Prozess des Outsourcings immer stärker. Das treffe auch für das geplante Engagement des Siemens-Konzerns in der Russischen Föderation zu. Eine Kooperation zwischen Großindustrie und Mittelstand mache sich vor allem in der Geschwindigkeit der Umsetzung von Innovationen bemerkbar.

Auch Sergej Nedorosslew, Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe Kaskol, bestätigte die große Bedeutung von Outsourcing für sein Unternehmen. Sie würden nur das tun, was sie am besten können. Sein Vertrauen zu den sich neu entwickelnden Zulieferern in Russland aus dem KMU-Bereich sei größer als das Vertrauen zu ehemals staatlichen Großunternehmen. Mittlerweile erschließe sich die russische Industrie, aber auch viele Zulieferer aus dem europäischen und asiatischen Ausland. Nach seiner Einschätzung seien die Rahmenbedingungen für KMU in Russland im Vergleich zu früher deutlich besser geworden.

Dr. Bergmann, Vorstandsvorsitzender der E.ON Ruhrgas AG, führte zwei Probleme an, die sich aus den großen windfall-profits der russischen Energieunternehmen ergeben. Einerseits müsste man Investitionsmittel bei den Energieunternehmen belassen, um die Entwicklung der Erdöl- und Erdgasförderer nicht zu belasten. Andererseits sei es eine Lebensnotwendigkeit für Russland, eine wettbewerbsfähige diversifizierte Wirtschaft zu entwickeln. Das Hauptproblem der Zusammenarbeit mit KMU besteht in Russland darin, dass es bislang noch keinen konkurrierenden Angebotsmarkt gebe.

Die Gouverneurin von St. Petersburg Walentina Matwijenko stellte ein spezielles Programm ihrer Regierung zur Schaffung eines One-Stop-Shop für KMU dar. Dabei sollten für KMU in fünf Tagen sämtliche Fragen von Firmenregistrierungen und –genehmigungen erteilt werden. Das habe Petersburg zu einem ersten Platz bei der KMU-Entwicklung pro Kopf der Bevölkerung geführt.

Prof. Holtbrügge von der Uni Erlangen charakterisierte die russischen Pläne für Sonderwirtschaftszonen. Diese sehr ambitionierten Pläne seien nie richtig realisiert worden. Heute funktioniere die Sonderwirtschaftszone nur in Kaliningrad, aber auch nicht optimal. Diese Sonderwirtschaftszonen seien insbesondere wichtig, weil sie einen Demonstrationseffekt auf weitere Investoren hätten, zu einem Wertschöpfungsmix zwischen großen und kleinen Unternehmen führen und deutlich zur Regionalentwicklung beitrügen. Auch Prof. Holtbrügge plädierte nachdrücklich dafür, effektive Strukturen einer KMU-Unterstützung in Russland aufzubauen.

Andreas de Maizière, Vorstandsmitglied der Commerzbank AG wies darauf hin, dass aus dem KMU-Sektor besonders innovative Unternehmen kämen, insbesondere die Unternehmen im Familienbesitz seien in Deutschland die Triebkräfte des technischen und technologischen Erfolgs. Insbesondere sollte man bei der Finanzierung des russischen Mittelstandes neue innovative Wege gehen. Aus Sicht deutscher Investoren sei es besonders wichtig, deutschen mittelständischen Unternehmen auf ihrem Weg und beim Engagement im russischen Markt unter die Arme zu greifen.

Tatjana Ryskina, Vorstandsvorsitzende der Russischen Entwicklungsbank, stellte ein gemeinsames Programm mit der EBRD zur Förderung des russischen Mittelstandes dar.

Jaroslav Píalek von Capgemini Deutschland GmbH verwies auf die hervorragenden Erfahrungen, die das System von E-Government in Deutschland, insbesondere im Bereich Öffentliche Ausschreibungen, für die KMU-Entwicklung gemacht habe.