Aufbruchstimmung in Kassel

Ein Aufbruch in den deutsch-russischen Beziehungen: Wie soll er aussehen? Dazu gab es durchaus kontroverse Ansichten beim 13. Petersburger Dialog vom 4.-5. Dezember 2013 in Kassel. Nachhaltigkeit und Verstetigung waren zwei Stichpunkte in der Diskussion. Den Petersburger Dialog als Konstante in den deutsch-russischen Beziehungen und universelle Plattform für den zivilgesellschaftlichen Austausch weiter zu entwickeln und zu fördern – dies brachten sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Russlands Präsident Putin in ihren Grußbotschaften zum 13. Petersburger Dialog zum Ausdruck, die bei der Eröffnung am 4.12.2013 im Kongress Palais Kassel verlesen wurden.

In einer pointierten, leidenschaftlichen Festrede zur Eröffnung des 13. Petersburger Dialogs rief Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck zu einem Umbruch in den Beziehungen zueinander auf, vor allem, was den Ton und die Zeichen der Verständigung betrifft. Diese sollten von der Überzeugung getragen sein, dass gute europäisch-russische Beziehungen im vitalen Interesse eines friedlichen, prosperierenden und global konkurrenzfähigen Europas liegen, so Platzeck: „Die Bedeutung des Petersburger Dialogs kann dabei gar nicht überschätzt werden.“ Er plädierte für eine existenzsichernde finanzielle Unterstützung des Petersburger Dialogs durch die Politik, die die nötigen Voraussetzungen schaffe, „um den erhofften und erwünschten Beitrag zur zivilgesellschaftlichen Verflechtung leisten zu können“.

Dieser nachhaltige Beitrag zur gesellschaftlichen Zusammenarbeit zeigt sich besonders konkret an den acht Arbeitsgruppen des Petersburger Dialogs. In Kassel stellten sie ihre Aktivitäten aus dem laufenden Jahr sowie Pläne für 2014 vor, darunter Projekte aus den verschiedensten Bereichen.
Die AG Bildung und Wissenschaft befürwortet das Projekt „Aufbau eines Universitätsmedizinischen Zentrums“ in St. Petersburg als Pilotprojekt im Rahmen der deutsch-russischen Gesundheitszusammenarbeit unter Federführung der Universitäten St. Petersburg und Hannover. Außerdem sollen in einem Workshop Anfang 2014 die Frage akademischer Mobilität sowie in verschiedenen Seminaren die Stärkung der sozialen Menschenrechte weiter diskutiert werden.
Für die Fortsetzung deutsch-russischer Ausstellungen, auch mit kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern wie im Falle der Bronzezeit-Ausstellung, setzt sich die AG Kultur ein. Als nächstes Projekt ist „Eisenzeit – Europa ohne Grenzen“ geplant. 2014 wird im Zeichen des Jubiläumsjahrs von Andreas Schlüter stehen, ein weiteres neues Themenfeld im Rahmen der Arbeitsgruppe ist die kulturelle Bildung.
Die AG Zukunftswerkstatt wird 2014 eine Fachkonferenz zum Thema Mittelstand organisieren, bei der gemeinsam mit Vertretern des Mittelstands sowie der zuständigen Ministerien und Behörden beider Länder eine Analyse mit langfristigen Entwicklungsstrategien erarbeitet werden sollen. Mit nachhaltigen Infrastrukturprojekten in Zusammenhang mit der Fußball-WM 2018 wird sich die AG Wirtschaft bei einer Sitzung in Wolgograd, einem der Austragungsstätten der WM in Russland, befassen. Die Diskussion in Kassel zur Entwicklung der fossilen Weltenergiemärkte soll bei einer Sitzung auf der Halbinsel Yamal fortgeführt werden.
Eine Zeitschrift als Diskussionsplattform für die Zivilgesellschaft beider Länder ist ein Hauptprojekt der AG Medien für das kommende Jahr. Sie soll die vielfältigen Themen aufnehmen, die im deutsch-russischen Dialog eine Rolle spielen und die sich auch in der Tätigkeit der Arbeitsgruppen des Petersburger Dialogs widerspiegeln. Zugleich werden der Austausch junger Journalisten sowie die gegenseitigen Recherchereisen fortgesetzt.
Mit den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für NGO-Arbeit befasste sich die AG Zivilgesellschaft; des Weiteren stellte das Deutsch-Russische Sozialforum, eine Initiative des Petersburger Dialogs, die Ergebnisse der im Sommer in Moskau durchgeführten Fachkonferenz „Herausforderung Inklusion“ vor. Die AG Kirchen in Europa bearbeitete die Frage Soziale Gerechtigkeit mit Bezug auf das Dachthema des Petersburger Dialogs „Soziale und politische Rechte als Bedingung für eine freie Gesellschaft“. In der AG Politik wurde das Verhältnis zwischen Eurasischer Union und Europäischer Union vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine erörtert, die Teilnehmer sprachen sich für einen breiten und offenen Dialog zu diesem Thema aus, der alle Seiten beteilige.

Immer stärker in den Petersburger Dialog integriert werden Vertreter der jüngeren Generation. Bereits zum zweiten Mal hatten sich Interessenten unter 30 Jahren über eine offene Ausschreibung für die Teilnahme am Petersburger Dialog bewerben können. Vertreter des Deutsch-Russischen Jugendparlaments, das parallel zum Dialog in Kassel getagt hatte, sowie ein Vertreter des I. Jugendforums des Petersburger Dialogs berichteten im Abschlussplenum des 13. Petersburger Dialogs von den Anliegen, die die junge Generation beschäftigen, darunter vor allem die Frage der Finanzierung des Jugendaustauschs sowie Visaerleichterungen.

Im Rahmen der Eröffnung des 13. Petersburger Dialogs am 4. Dezember 2013 wurden junge deutsche und russische Journalisten mit dem Peter-Boenisch-Gedächtnispreis ausgezeichnet. Seit 2006 fördert der Petersburger Dialog damit Nachwuchsjournalisten aus beiden Ländern, die mit ihren Beiträgen zu mehr Wissen voneinander und zu einem besseren Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungen im jeweils anderen Land beitragen. Der Preis ging 2013 auf deutscher Seite an Inna Hartwich, die drei Jahre lang als freie Korrespondentin in Moskau tätig war und sich laut Jury durch ihre detailreichen Schilderungen, exzellenten Stil und genaue Recherche ihrer Beiträge auszeichnete. Auf russischer Seite teilten sich Andrej Raskin und Michail Tjurkin den ersten Platz. Ein Sonderpreis im Rahmen des Peter-Boenisch-Gedächtnispreises 2013 für besondere journalistische Verdienste ging an den bekannten russischen Fernsehjournalisten Leonid Mletschin.

Dr. h. c. Lothar de Maizière, der auf deutscher Seite den Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs leitet, betonte abschließend, die Beziehungen der zivilgesellschaftlichen Gruppen beider Länder seien – innerhalb und außerhalb des Petersburger Dialogs – vielfältig und fruchtbar. Sie könnten aber auf Dauer nur Bestand haben, wenn auch die politischen Beziehungen konstruktiv und mit dem Ziel geführt würden, neben den gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen auch einen gemeinsamen Wertekanon durchzusetzen, aus dem sich freie und rechtsstaatlich organisierte Demokratien allein ableiten lassen.

Bildergalerie

Arbeitsgruppen

AG Politik

Themen:
– „Neustart für die deutsch-russischen Beziehungen?“
– „Eurasische Union und Europäische Union – miteinander oder gegeneinander?“

Koordinatoren:
Jens Paulus, Leiter Team Europa / Nordamerika, Konrad-Adenauer-Stiftung
Prof. Dr. Konstantin Chudolej, Leiter des Lehrstuhls für Europastudien, Staatliche Universität St. Petersburg

AG Wirtschaft

Thema:
„Entwicklung der fossilen Weltenergiemärkte in den nächsten 20 Jahren und ihre Auswirkungen auf die Deutsch-Russischen Beziehungen“

Koordinatoren:
Dr. Eckhard Cordes, Vorsitzender, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Waleri Golubjew, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, Gazprom

AG Zivilgesellschaft

Thema:  „Rahmenbedingungen für deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit“

– Rahmenbedingungen für NGO-Arbeit
– Finanzierung von NGO-Arbeit
– Informationsfreiheit im Internet
– Jahrestage 2014 / 2015

Koordinatoren:
Dr. Andreas Schockenhoff MdB, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion; Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit
Prof. Dr. Michail Fedotow, Vorsitzender, Rat für die Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte beim Präsidenten der Russischen Föderation

AG Bildung und Wissenschaft

Themen:
– Überblick über die bisherigen Aktivitäten der Arbeitsgruppe, insbesondere im Bereich Modernisierungspartnerschaft/Recht
– Das Gesundheitswesen als System der Realisierung des Rechts auf qualitative und zugängliche Hilfe
– Moderne Informationstechnologien im Dienst der Lebenserhaltung und der Gesundheit in potenziell gefährlichen Situationen
– Akademische Mobilität als Norm der Ausbildung und Garantie der Bildungsqualität: die Erfahrung Deutschlands und die neuen Perspektiven der Entwicklung in Russland
– Soziale Rechte im Bereich Energieversorgung

Koordinatoren:
Prof. Dr. Wilfried Bergmann, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, Deutsch-Russisches Foum e.V.
Prof. Dr. Igor Gorlinski, Erster Prorektor, Staatliche Universität St. Petersburg

AG Kultur

Themen:
– „Schlüter 300“ im Jahr 2014 – ein grenzüberschreitender Architekt und Bildhauer
– (Inter) Kulturelle Bildung/ Kulturelle Vielfalt und deren Rolle für die Gesellschaft in Russland und in Deutschland

Koordinatoren:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger, Präsident, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Prof. Dr. Michail Piotrowski, Direktor, Staatliche Eremitage

AG Medien

Themen:

– Die Medienlandschaften in Deutschland und Russland. Veränderungen im vergangenen Jahr
– Eine Zeitschrift des Petersburger Dialogs als Diskussionsplattform der Zivilgesellschaft beider Länder
– Die Zukunft des Petersburger Dialogs – Reformideen
– Der Kulturauftrag des ‚Rundfunks der Gesellschaft‘

Koordinatoren:
Prof. Michael Rutz, Geschäftsführer, Prof. Rutz Communications GmbH
Witali Ignatenko, Vorsitzender des Kollegiums, Nachrichtenagentur ITAR-TASS

AG Zukunftswerkstatt

Themen:
– Integrations- und Migrationsmodelle in Deutschland und Russland: Migranten als Brücke zwischen Heimat und Gastland
– Die Entwicklung der Mittelschicht und des Mittelstandes in Russland, Deutschland und Osteuropa: traditionelle Werte oder neue Orientiere?

Koordinatoren:
Prof. Alexander Rahr, Forschungsdirektor, Deutsch-Russisches Forum e.V.
Natalja Tscherkessowa, Vorsitzende des Aufsichtsrats, Presseagentur Rosbalt

AG Kirchen in Europa

Thema:
„Soziale Gerechtigkeit als Bedingung für eine freie Gesellschaft“

Koordinatoren:
Dr. Johannes Oeldemann, Direktor, Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik
Archimandrit Filaret (Bulekow), Stellvertretender Vorsitzender des kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats

Förderer

Presseschau

Presseresonanz zum 13. Petersburger Dialog 2013: