Sitzung der AG Politik beim 16. Petersburger Dialog, Berlin, 24. November 2017

Wahlen in Deutschland und Russland und nicht zuletzt ihre möglichen Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen standen im Mittelpunkt der intensiven Diskussionen der Arbeitsgruppe Politik beim 16. Petersburger Dialog am 24. November in Berlin, die in der Akademie der Konrad Adenauer Stiftung stattfand.

Als Einstieg blickte ein deutscher Referent auf Motive zurück, die gerade sächsische Wähler in ihrer Entscheidung bei der Bundestagswahl im September 2017 beeinflusst haben. Schnell stellte sich heraus, dass wirtschaftliche Aspekte eine wichtige aber keineswegs alleinige oder immer ausschlaggebende Rolle spielen. „Man kann das Gefühl haben, die Heimat zu verlieren, ohne die Region je verlassen zu haben“, beleuchtete der Vortragende einen wichtigen Aspekt aktueller Gefühlslagen gerade in Regionen, die unter sinkenden Bevölkerungszahlen leiden und in den gerade junge Menschen keine Perspektiven mehr sehen. Gleichzeitig nehme die Ausdifferenzierung der Bevölkerung zu, das Gefühl mangelnder Wertschätzung mache zusätzlich elitenskeptisch.

Ein russischer Referent schilderte anschließend die Rahmenbedingungen für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland. Noch habe der Wahlkampf nicht begonnen, einige zentrale Themen und das zu erwartende Kandidatenfeld zeichneten sich aber bereits ab. Die wirtschaftlichen Herausforderungen würden sicher eine große Rolle spielen, ebenso die Bekämpfung der Korruption und Fragen der Außenpolitik – hier sei die Zustimmung zur Politik des Präsidenten besonders groß. Es lasse sich aber konstatieren, dass das Vertrauen in Präsident Putin als Person größer sei als das zu seiner Partei.

Den Perspektiven für das deutsch-russische Verhältnis widmeten sich zwei deutsche Beiträge. Bei allen Differenzen sah der erste dieser beiden Referenten durchaus Möglichkeiten, die „Abwärtsspirale“ in den Beziehungen umzukehren. Konkret regte er dabei die Wiederbelebung des NATO-Russland-Rates an, empfahl einen intensiven Blick auf Abrüstungsfragen und entsprechende Formate, auch bleibe das Thema Visafreiheit auf der Tagesordnung. Er fürchte allerdings, Russland wolle zu einer Bündnispolitik im Stile des 19. Jahrhunderts zurück, die klare Interessenzonen definiere. Die EU lasse sich aber nicht auseinanderdividieren. Es fehle augenscheinlich das Verständnis für einen „gemeinsamen Raum der Verantwortung“, in dem die Wahlfreiheit von Bündnissen ebenso fundamental sei wie die Unantastbarkeit der Grenzen. Auch der zweite Referent plädierte dafür, Wertekonflikte, wenn nötig, zu benennen. Die Priorität einer gemeinsamen Position der EU sei für Deutschland zentral, hierzu gebe es großen Konsens. Entsprechend seien neue Formate des Kontakts zwischen der EU und Russland wünschenswert, zumal es bei zahlreichen Fragen gemeinsame Interessen und Problemlagen gebe, die Nordkorea-Frage, die Migrationsthematik, aber auch Fragen des Zusammenhalts von Gesellschaften und das Stadt-Land-Gefälle gehörten dazu.

In der Diskussion wurden unterschiedliche Sichtweisen gerade in Sicherheitsfragen und mit Blick auf die Krim und die Ostukraine einmal mehr deutlich. Ebenso aber war der Wille zu spüren, trotz fortbestehender Differenzen die Möglichkeiten für gemeinsames Handeln nicht aus dem Auge zu verlieren und weiter an Kooperationsplattformen zu arbeiten. In seinem Beitrag am Nachmittag nannte ein deutscher Diskutant dabei etwa eine Intensivierung des Schüleraustauschs, das Thema Visafreiheit und den lebhaften bilateralen Austausch auf politischer Ebene, den es ja auch im Jahr 2017 durchaus gegeben habe – auch der Wissenschaftsaustausch und die Arbeit an konkreten Projekten, so die spätere Diskussion, könnten Brücken liefern.

„Die Beziehungen sind momentan außerordentlich schlecht“, konstatierte auch ein anderer Teilnehmer auf deutscher Seite, einig sei man sich immerhin, dass jeweils die Gegenseite die Schuld trage und dies ändern könne. Die interessante Frage sei, wie man den „politischen Immobilismus“ überwinden und die Sackgasse verlassen könne. Spanger empfahl, an die Entspannungspolitik der 70er Jahre anzuknüpfen, die „einvernehmliche Regelungen auch in Konfliktzonen“ zugelassen habe. Ein russischer Referent beschrieb dabei gerade einen neuen Rüstungswettlauf als besonders kritisch, Nuklearwaffen seien aber nicht das einzige Thema. „Wir kleine Kinder fangen wir, mit dem Feuer zu spielen“, so der russische Referent.

Ein anderer russischer Teilnehmer analysierte, die gegenseitige Entfremdung habe lange vor der Entwicklung auf der Krim begonnen. Die aktuellen Initiativen für eine Stationierung von UN-Blauhelmen in der Ukraine seien möglicherweise ein vielversprechender Ansatz. In der Diskussion schlug ein deutscher Teilnehmer Russland vor, vor allem den Dialog mit seinen unmittelbaren EU-Nachbarstaaten zu führen. Ohne diese sei ein Konsens mit der EU nicht möglich – auch Deutschland könne da kein Scharnier sein. An Themen für den weiteren Austausch und die Fortsetzung der Beratungen der Arbeitsgruppe im Jahr 2018 herrscht ganz offenbar kein Mangel.