Tagung der AG Politik, Potsdam, 24./25. November 2016

Herausforderungen der internationalen Migration, die Bedrohung des grenzüberschreitenden Terrorismus sowie die Agenda der G20 unter deutscher Präsidentschaft im Jahr 2017 waren die zentralen Themen des Treffens der Arbeitsgruppe Politik des Petersburger Dialogs, das jetzt am 24. und 25. November in Potsdam stattfand.

In ihren Begrüßungen am Vorabend der eigentlichen Arbeitsgruppensitzung wiesen der Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes und Konstantin Dolgow, Beauftragter für Menschenrechte, Demokratie und Rechtshoheit im Außenministerium der Russischen Föderation auf die Bedeutung des fortgesetzten Austauschs beider Seiten über aktuelle Fragen hin, die durchaus noch eine Verstärkung erfahren könne. Franz Thönnes betonte dabei insbesondere die Wichtigkeit der Einbindung politischer Akteure beider Seiten. Trotz durchaus unterschiedlicher Standpunkte etwa zu Fragen des Konflikts in Syrien, den Entwicklungen in der Ukraine oder der Sanktionspolitik fanden die Gespräche in einem sehr konstruktiven und offenen Klima statt. Diese Themen werden den Dialog auch weiter begleiten, etwa beim nächsten Treffen der Arbeitsgruppe, das der Leiter der russischen Delegation, Duma-Abgeordneter Dr. Vyacheslav A. Nikonov für das kommende Frühjahr in Russland ankündigte.Beim Panel über die „Herausforderungen internationaler Migration für Russland und Deutschland“ gingen sowohl der Leiter Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dr. Michael Bröning, als auch Konstantin Dolgow auf die aktuellen Befindlichkeiten der deutschen und russischen Bevölkerung vor dem Hintergrund einer unterschiedliche Migrationssituation ein. Während Deutschland nicht zuletzt mit hohen Flüchtlingszahlen aus Syrien konfrontiert ist, fokussierte die russische Seite auf Flüchtlinge aus der Ukraine und die intensive Migration aus Zentralasien. Angesichts von derzeit 65 Millionen Flüchtlingen weltweit spielte auch die Frage der Lastenverteilung eine wichtige Rolle, ebenso die Verbindung zu Sicherheitsfragen. Einigkeit herrschte darüber, dass es sich beim Phänomen der Migration um nichts handele, was kurzfristig lösbar sei. Fluchtursachen, so Teilnehmer während der lebhaften Diskussion, lägen sowohl im gewaltigen wirtschaftlichen Gefälle zwischen benachbarten Regionen, korrupten „Eliten“ und ihren brutalen Methoden in Herkunftsländern, aber auch sehr unterschiedlichen demographischen Entwicklungen. Lohnend ist ganz offenbar der Austausch über erfolgversprechende Formen der Integration in beiden Ländern.

In ihrem Beitrag zum „Terrorismus als grenzüberschreitende Bedrohung: Perspektiven der Kooperation“ adressierte die Leiterin des Afrika-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Irina Abramowa Veränderungen terroristischer Bewegungen in den zurückliegenden Jahrzehnten. So sei der Terrorismus etwa im Falle des sogenannten „Islamischen Staates“ auch ein „business-Modell“. Soziale Netze trügen zur Verbreitung terroristischer Taten und zur Rekrutierung mittlerweile erheblich bei. Besondere Beachtung verdiene die muslimische Bevölkerung, innerhalb derer in unterschiedlichen Ländern Sympathisantenzahlen für terroristische Gewalt durchaus hoch seien. Militärische Siege über den Terrorismus schwächten diesen, beendeten ihn aber keineswegs. Für die deutsche Seite schilderte der stellvertretende Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad Adenauer Stiftung, Frank Priess, ein heterogenes Täter- und Sympathisantenfeld sowohl auf globaler Ebene als auch innerhalb Deutschlands. Es müsse vermieden werden, Muslime als Gruppe unter Terrorverdacht zu stellen: eine solche Stigmatisierung spiele terroristischen Organisationen in die Hände, die ein „Wir gegen die-Gefühl“ erzeugen wollten. Wie die Ursachen von Terrorismus nicht monokausal seien, dürften es auch die Antworten nicht sein. Auch gelte es, bei der Terrorbekämpfung rechtsstaatliche Standards zu beachten. In der Diskussion wurde einmal mehr klar, welche Probleme unterschiedliche Terrorismusbegriffe erzeugen: Was für die Einen ein Terrorist sei, gehe für die Anderen als legitimer Freiheitskämpfer durch. Noch nicht einmal seitens der UN, so ein russischer Teilnehmer, gebe es eine adäquate und allgemein akzeptierte Definition von Terrorismus.

Im abschließenden Panel ging es um die Erwartungen an die Organisation der G20 und speziell die Agenda der deutschen Präsidentschaft im kommenden Jahr. Prof. Wiktor Kuwaldin, Leiter des Lehrstuhls für gesellschaftlich-geisteswissenschaftliche Disziplinen der Wirtschaftsschule der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität sprach in seinem Beitrag problematische Signale an, die sich derzeit global ereigneten. Dazu gehörten neben der Ungleichheit, einer massiven Schuldenproblematik und anhaltender Wachstumsschwäche auch Gefahren für den Bruch des Weltsystems. Gunter Rieck-Moncayo aus der Abteilung Politikdialog und Analyse der Konrad Adenauer-Stiftung skizzierte in seinem Beitrag die Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft für den kommenden G20-Gipfel in Hamburg. Resilienz, Verantwortung und Nachhaltigkeit seien Schlüsselbegriffe, die bei Strategien auf den Themenfeldern Gesundheit, Flucht und Migration sowie Klimawandel zur Anwendung kommen müssten. Afrika werde in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielen. Die Diskussion zeigte dann, dass gerade in Bezug auf den europäischen Nachbarkontinent und Entwicklungen dort ein großes Potential für einen deutsch-russischen Erfahrungsaustausch besteht. Für beide Länder spielt dabei das starke Engagement Chinas eine Rolle.

Auf allen drei behandelten Themenfeldern zeigte sich, dass ein intensiver deutsch-russischer Dialog Mehrwert zutage fördert. Darauf lässt sich in Zukunft weiter aufbauen.

Berlin, 29. November 2016
Frank Priess