Sitzung der Arbeitsgruppe Medien beim 12. Petersburger Dialog 2012 Moskau, 15. November 2012

1. Der öffentlich- rechtliche Rundfunk als „Rundfunk der Gesellschaft“. Idee, Chancen und Wirklichkeit

2. Journalistische Ethik in einer sich verändernden Welt. Was bleibt immer richtig, was ändert sich?

3. Gemeinsame Projekte der Arbeitsgruppe für 2013 (Themen „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“, „Religionen in Russland“)

Koordinatoren:
Prof. Michael Rutz, Geschäftsführer, Prof. Rutz Communications GmbH
Witali Ignatenko, Vorsitzender des Kollegiums der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS

Zu 1. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als „Rundfunk der Gesellschaft“. Idee, Chancen und Wirklichkeit

Die Arbeitsgruppe hält es für eine gute Idee, neben die Hörfunk- und Fernsehsender mit kommerzieller Grundlage solche Sender zu stellen, die ihre Mittel von den Bürgern selbst oder von Stiftungen erhalten. Das ist die Idee des Rundfunks der Gesellschaft.

Damit kann man Programminhalte sichern, die inhaltlich weitgehend unabhängig sind, und zwar sowohl von politischem Einfluss als auch von wirtschaftlichem Druck.

Dr. Johannes Grotzky, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks in München, hat die deutsche Tradition dieser unabhängigen Rundfunkprogramme geschildert. Sie entstand nach dem Vorbild der BBC als Antwort auf die deutsche Reichspropaganda der nationalsozialistischen Zeit, in die der Rundfunk direkt eingebunden war.

Nach dem Krieg wurden die Sender bei den einzelnen Bundesländern als Unternehmen des öffentlichen Rechts angesiedelt, sie sind eigene Rechtspersönlichkeiten, also nicht staatliche Behörden. Die Kontrolle liegt mehrheitlich bei gesellschaftlichen Organisationen, die Finanzierung erfolgt über Rundfunkgebühren, die jeder Haushalt monatlich zahlen muss.

Alexander Gerassimow, der im Rahmen der Unabhängigen nichtkommerziellen
Organisation „Obschestwennoje telewidenje Rossii“ (OTR) gerade einen ähnlichen Fernsehsender in Russland aufbaut, hat in der Arbeitsgruppe die Konzeption dieses Senders geschildert, nämlich: seine Stiftungskonstruktion, seine Finanzmittel, seine technischen Verbreitungswege über Satelliten und Kabel. Der Sender soll ab nächstem Jahr etwa 70 % der städtischen Bevölkerung in Russland und mehr als 50 % der gesamten Bevölkerung erreichen können.

Wir haben die Prinzipien der Unabhängigkeit der journalistischen Arbeit diskutiert und beschlossen, im kommenden Frühjahr in einer Reise nach Deutschland das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem mit seinen Vor- und Nachteilen genauer zu betrachten. Die deutsche Seite wird dazu nach München einladen.

Zu 2. Journalistische Ethik in einer sich verändernden Welt. Was bleibt immer richtig, was ändert sich?

Journalistische Qualität hängt von mehreren Bedingungen ab: erstens von den persönlichen Wertvorstellungen eines Journalisten, seiner persönlichen und professionellen Erziehung. Zweitens von den finanziellen Möglichkeiten des Mediums, solide journalistische Arbeit möglich zu machen. Drittens von den Gesetzen, die das auch fordern. Viertens – und wichtig: von Vereinbarungen zwischen Journalisten selbst darüber, was ethisch zulässig ist und was nicht.

Es wurde deutlich, dass es keine scharfe Grenzziehung zwischen Meinungsfreiheit und ethischen Anforderungen geben kann. Diese Grenze muss immer neu definiert werden, etwa angesichts bestimmter Ereignisse (in Russland sind etwa die Anschläge von Dubrowka auch ein medienethisches Thema), oder angesichts neuer Medien. So wurde deutlich, dass das Internet und die neuen sozialen Medien Möglichkeiten zu Diffamierung und Demagogie bieten (wir haben das auch in Deutschland erlebt), gegen die man sich wehren können muss. Es berichteten hier Pawel Gusew und Johann Michael Möller.

Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass in nicht eindeutigen Fällen, in denen die Abwägung schwierig ist, die Meinungs- und Informationsfreiheit den Vorrang haben muss.

Die Arbeitsgruppe wird bei ihrer Frühjahrstagung in Deutschland dieses Thema ebenfalls vertiefen und mit Experten diskutieren.

Zu 3. Gemeinsame Projekte der Arbeitsgruppe für 2013 (Themen „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“, „Religionen in Russland“)

Wir haben beschlossen, das Thema Öffentlich-rechtliches Rundfunksystem bei einer Tagung im Frühjahr in München zu intensivieren sowie im kommenden Frühsommer in einer journalistischen Recherche-Reise durch Russland das Thema der Religionen in einem multiethnischen und multireligiösen Staat in den Blick zu nehmen. Unter anderem hat Hegumen Filaret, Stellvertretender Vorsitzender des kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats, seine Hilfe bei der Recherche-Reise angeboten. Die russische Seite wird zu dieser Reise einladen.