Sitzung der AG Politik beim 9. Petersburger Dialog in München, 14.-16. Juli 2009

Die Arbeitsgruppe Politik diskutierte „Das Europäische Haus vom Atlantik bis Wladiwostok. Traum (1990) und Wirklichkeit (2009)“. Gesprochen wurde auch über Fragen einer neuen Sicherheitsarchitektur und über die Konsequenzen der Wirtschaftskrise für die Stabilisierung der internationalen Beziehungen.

Thema: „Das Europäische Haus vom Atlantik bis Wladiwostok. Traum (1990) und Wirklichkeit (2009)“

Folgende Schwerpunkte wurden behandelt:

1. Nachdenken über eine neue Sicherheitsarchitektur

Die Teilnehmer sind darüber einig, dass der gesamteuropäische Entwicklungsprozess ausgebaut werden muss und dass die russisch-deutschen bzw. die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union vertieft werden müssen.

Über 30 Jahre nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki ist es noch nicht gelungen, ein effizientes System aufzubauen, dass die Staaten des Westens mit Russland vereint. Ein neuer Impuls der Fortentwicklung des gesamteuropäischen Prozesses ist notwendig.

Die Initiative von Präsident Medwedjew für einen neuen europäischen Sicherheitsvertrag ist ein wichtiger Anstoß, der neue Sicherheitsgarantien in der euro-atlantischen Region schaffen und gegenseitiges Vertrauen und die Zusammenarbeit stärken soll. Dabei sollten den Forderungen nach gleicher Sicherheit – unteilbar und icht auf Kosten anderer erreicht – eine zentrale Rolle beigemessen werden.

Die OSZE ließe sich im Rahmen der Weiterentwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur sich in ihrer Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit erheblich verbessern. Die Frage der Weiterentwicklung des Rüstungskontrollregimes und der Stärkung des gegenseitigen Vertrauens sind dabei besonders aktuell. Die Umsetzung des KSE-Vertrages sollte an die reale Lage in Europa angepasst werden.

In der Diskussion über eine neue gesamteuropäische Sicherheitsstruktur wurden zwei
unterschiedliche Ansätze deutlich. Einerseits wurde betont, dass eine neue euro-atlantische Sicherheitsarchitektur, die für alle Staaten der Region offen ist, eine adäquate Antwort auf Herausforderungen und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts werden könnte. Eine solche Struktur könnte eine sicherheitspolitische Koordinierungsfunktion übernehmen.

Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass eine neue euro-atlantische Sicherheitsstruktur auf bestehenden Organisationen wie der NATO aufbauen sollte.
Eine konstruktive Rolle für die Vertrauensbildung in Europa und für die gemeinsame Bewältigung von sicherheitspolitischen Herausforderungen könnte dem NATO-
Russland-Rat zukommen.

Wichtig ist, dass der „Westen“ und Russland zu einer gemeinsamen weltweiten Bedrohungsanalyse finden.

Die Gründung eines Internationalen Zentrums zur Risikobewertung wäre ein erster Schritt zur institutionellen Ergänzung der Sicherheitsarchitektur im euroatlantischen Raum. Es sollte sich mit dem Sammeln, Bearbeiten und Bewerten von Information befassen, die für die rechtzeitige Gefahrfeststellung und rechtzeitige Beseitigung dieser Gefahren erforderlich sind.

Die Teilnehmer des Petersburger Dialogs betonten, dass die Verflechtung von Fragen der Soft-Security und der Hard-Security für die Stärkung der euro-atlantischen Stabilität wichtig ist.

Die Teilnehmer des Petersburger Dialoges sind der Meinung, dass eine weitere Verbesserung der Atmosphäre in den gegenseitigen Beziehungen zu den wichtigsten Bausteinen der Vertrauenssicherung, der Stabilität und der Sicherheit in Europa gehören. Das Ansehen von der NATO und der EU in Russland und von Russland in den NATO- und EU-Staaten ist verbesserungsbedürftig.

2. Konsequenzen der Wirtschaftskrise für die Stabilisierung der internationalen Beziehungen

Die Teilnehmer beschäftigten sich im zweiten Teil der Diskussion mit der Wirtschaftskrise und ihren Folgen für die internationalen Beziehungen einerseits und die deutsch-russische Zusammenarbeit andererseits.

Die Diskussionsteilnehmer betonten die Notwendigkeit der stärkeren Regulierung des internationalen Finanz- und Bankensystems sowie einer effektiveren Aufsicht über dieses System.

Die bewährte deutsch-russische Partnerschaft im Energiebereich und im Außenhandel soll zu einer wirklichen Modernisierungs-Partnerschaft zwischen beiden Ländern ausgebaut werden.
Bei Handel und Investitionen darf es keine Einbahnstraßen geben. Das zunehmende Interesse russischer Firmen am deutschen Markt soll genau so unterstützt und erleichtert werden wie die Arbeit deutscher Unternehmen in Russland.

Es wurde die Möglichkeit eines Projektes zwischen Russland und der EU erörtert, welches die russischen Modernisierungsbedürfnisse – möglicherweise auch die der Ukraine und Weißrusslands – zum Thema hat. Die Einbeziehung von EU-Mitgliedsstaaten in die Realisierung eines solchen Projektes könnte ein Beitrag zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise sein. Die Umsetzung solch eines Projektes würde außerdem Vertrauen stärken und eine langfristige Partnerschaft zwischen der EU und Russland fördern. Auch in schwierigen Zeiten ist es notwendig, die deutsch-russische Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Automobilindustrie, Informationstechnologie, Telekommunikation und Kommunalwirtschaft zu fördern. Die Visa-Bestimmungen zwischen Russland und der Europäischen Union wurden als ein Relikt aus alter Zeit bezeichnet. Die Teilnehmer regten an, über eine grundlegende Visa-Reform nachzudenken.