Konferenz der AG Gesundheit „Value-Based Healthcare for Regions“, Hamburg, 1. Juni 2017

Bericht der AG Gesundheit nach der Konferenz „Value-Based Healthcare for Regions“, Hamburg, 01.06.17

 Am 1. Juni 2017 im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Gesundheit“ des Forums „Petersburger Dialog“, das zur Bildung einer sicheren Grundlage zur Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen durch die Erweiterung der Zusammenarbeit zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder gegründet wurde, fand in Hamburg (Deutschland) die Konferenz zum Thema „Wertebasierte Medizin in den Regionen“ statt. Das Hauptziel des bilateralen Treffens war die Erörterung konkreter Konzepte eines wertebasierten Gesundheitswesens. Eine besondere Bedeutung hat man der Heranziehung von Personen zugemessen, die in der Lage sind, die erörterten Projekte auf regionaler Ebene mit Unterstützung von kommunaler Selbstverwaltung umzusetzen.

An der Konferenz haben sich die Co-Vorsitzenden der AG „Gesundheit“ des Forums „Petersburger Dialog“ beteiligt: Prof. Jewgenij Schljachto (Leiter des föderalen Medizinforschungszentrums von V.A. Almazov der Region Nord-West, Sankt Petersburg, Koordinator der AG von der russischen Seite) und Andrea Fischer (Dezernentin für Finanzen, Gebäudewirtschaft und Krankenhäuser in Hannover, Koordinatorin der AG von der deutschen Seite).

Die Konferenzteilnehmer wurden begrüßt von:

Cornelia Prüfer-Storcks, Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg,

Arfenija Ter-Minassowa, Beraterin des Vize-Gouverneurs von St. Petersburg,

Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

In den offiziellen Grußworten wurde die Wichtigkeit des Zusammenwirkens zwischen Russland und Deutschland im Bereich des Gesundheitswesens hervorgehoben, sowie der gegenseitige Wunsch der Verwaltung von Sankt Petersburg und Hamburg zum Ausdruck gebracht, im Bereich des Gesundheitsschutzes, der Gestaltung von gesunden Städten und neuer Infrastruktur zur Erhöhung der Effizienz des Gesundheitswesens zusammenzuarbeiten.

Andrea Fischer hat in ihrem Grußwort an die Konferenzteilnehmer gesagt, dass das Thema der Konferenz nicht zufällig gewählt wurde, dass die Kooperation bei der Gestaltung einer neuen Medizin, die auf Werten und Interessen von Patienten beruht, der wichtige Schritt zur Senkung der Mortalität und Erhöhung der Lebensqualität der Menschen sein kann.

Jewgenij Schljachto – Mitglied der Akademie der Wissenschaften – hat in seiner Einführungsrede geäußert, dass die Reformierung des modernen Gesundheitswesens unter Berücksichtigung der wertebasierten Medizin sehr aktuell erscheint, dass die regionalen Unterschiede bei der Finanzierung und Organisation der medizinischen Behandlung zu berücksichtigen sind, die den Zugang zur ärztlichen Versorgung und die Einweisung von Patienten beeinflussen. Darüber hinaus hat er auch die Wichtigkeit der Implementierung eines innovativen, richtigen und durchdachten Systems zur Qualitätsbewertung der medizinischen Behandlung auf allen Stufen betont. Herr Schljachto hat versichert, dass das interessante und äußerst aktuelle Programm der Konferenz zur Grundlage vieler darauffolgenden Veranstaltungen im Rahmen der Zusammenarbeit am Petersburger Dialog im Bereich des Gesundheitswesens wird.

         Der Kernpunkt der Agenda war die Erörterung:

  • Inwiefern werden Konzepte wie „Value-based Healthcare“ und populationsbezogenes Gesundheitsmanagement den Anforderungen von urbanen Settings gerecht?
  • der Projekte von staatlichen Organisationen und NGOs (Kliniken, Universitäten, soziale Einrichtungen) zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung,
  • der Bearbeitung und Speicherung von Big Data, die zur Umsetzung der wertebasierten medizinischen Behandlung auf regionaler Ebene notwendig sind,
  • der Wirtschaftseffizienzaspekte: minimaler Aufwand um maximalen Effekt zu erzielen.

Im Rahmen der Konferenz gab es folgende Vorträge:

Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Leiter der Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health an der Universitätsmedizin Greifswald,

„Konzepte und Trends von „Value-based Healthcare in Deutschland“: der Vortrag ist dem werteorientierten Ansatz gewidmet, der bei der Planung, Steuerung und Effizienzauswertung des Gesundheitswesens auf den Endnutzer ausgerichtet ist. Im Vortrag wird der Aufbau einer informationstechnischen Infrastruktur mit regionalen Patientenakten gezeigt, sowie künftige Entwicklung der werteorientierten Medizin in Deutschland unter Integration von Gesetzen in das sektorenübergreifende Konzept der medizinischen Versorgung;

– Prof. Dr. Alexandra Konradi, stellv. Generaldirektorin für Wissenschaftsarbeit am Almazov Federal North-West Medical Research Centre in Sankt Petersburg,

„Wertebasierte Medizin als Modell effizienter Entwicklung: russische Projekte“: im Vortrag wurden moderne Ansätze zur Evaluation der medizinischen Behandlung dargestellt. Heutzutage verlagert sich der Ansatz bei der Evaluation der medizinischen Behandlung von der evidenzbasierten Medizin, in der die Zweckdienlichkeit einer bestimmten Methode der Diagnostik, Behandlung vom Standpunkt des rein medizinischen Effektes beurteilt wird, hin zur komplexen Beurteilung des Effektes, bei der der wirtschaftliche Aufwand für die medizinische Versorgung, die Bewertung des erzielten Ergebnisses vom Standpunkt des Patienten sowie auch der Summeneffekt vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheit betrachtet, beurteilt werden. Dank der wertorientierten Herangehensweise und Analyse kann man im Endeffekt verschiedene Arten der Versorgung nicht nur nach dem unmittelbaren Effekt für eine konkrete Patientengruppe evaluieren, sondern auch danach, inwieweit die Behandlung wirtschaftlich ist und der Summenwert der Gesundheit und Zufriedenheit des Patienten sowie die Gesundheit der Population insgesamt erhöht werden;

Dr. Matthias Gruhl, Leiter des Amts für Gesundheit der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg,

„Regionales Gesundheitswesen und seine Verwaltung“: im Rahmen der Präsentation von unterschiedlichen Sektoren des Gesundheitswesens in Deutschland werden die Besonderheiten verschiedener Planungsebenen im ambulanten Sektor am Beispiel von Hamburg dargestellt. Die Korrekturmaßnahmen in der Planung werden evaluiert. Es wird auch hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit auf regionaler und nationaler Ebene von großer Bedeutung ist, um adäquate medizinische Versorgung in unterschiedlichen Regionen mit mannigfaltigen sozialen Strukturen sicherzustelle;

Prof. Dr. Alexej Sosinow, Rektor der staatlichen Medizinischen Universität Kasan,

„Universität & medizinische Ausbildung“: der Vortrag ist den Programmen gewidmet, an denen sich die Studierenden die Grundsätze der wertorientierten Medizin aneignen können. Bei den Studierenden werden  notwendige Kompetenzen herausgebildet. Zu diesem Zweck werden in das Studienprogramm Spezialdisziplinen aufgenommen wie Bioethik oder Grundlagen der Gestaltung eines gesunden Lebensstils. Es werden Methoden der Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten verwendet, unter anderem auch mit Hilfe von standardisierten Patienten. Große Aufmerksamkeit wird der Wirkung des „verdeckten“ Curriculums geschenkt. Im Rahmen der körperschaftlichen Universität für Gesundheitswesen der Republik Tatarstan sind die Studierenden in den Prozess der Bestimmung von Werten des Gesundheitswesens involviert;

– Dr. h. c. Helmut Hildebrandt, Geschäftsführer Gesundheit für Billstedt/Horn UG und Gesundes Kinzigtal GmbH , Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG

„Regionale Gesellschaften für integrierte Versorgung“: im Vortrag sind Ergebnisse der Tätigkeit der regionalen Gesellschaft in Hamburg (Gesundheit für Billstedt/Horn UG) dargestellt, die sich mit der medizinischen Versorgung und dem Erhalt der Populationsgesundheit befassen. Es wird die Gesellschaftsstruktur geschildert. Es werden Erfahrungen aus anderen Regionen ausführlich ausgewertet, in denen diese Tätigkeit schon seit über 10 Jahren geleistet wird (Gesundes Kinzigtal GmbH);

Alexandr Kuschel, Leiter des Territorialfonds, Pflichtkrankenversicherung Sankt Petersburg

„Pflichtkrankenversicherung in Sankt Petersburg: Errungenschaften und Probleme“: im Vortrag wurde die Struktur der heutigen PKV in Sankt Petersburg sowie die Zusammenwirkung der Teilnehmer präsentiert. Es wurde das Volumen und die Steigerung von Ressourcen im Laufe der letzten 10 Jahre bewertet sowie die Effizienz der eingesetzten PKV-Mittel und die Qualität der erbrachten Leistungen analysiert. Es wurden vorrangige Fragen formuliert, unter anderem die effizientere Nutzung der PKV-Finanzmittel, die Ausarbeitung von Kriterien zur Verteilung der medizinischen Leistungen und die Bezahlung der außerplanmäßigen Behandlung;

Prof. Dr. Martin Härter, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,

„Evaluation innovativer Aufklärungsansätze und Versorgungsmodelle in der Gesundheitsregion Hamburg“: im Vortrag wurden die Daten über die Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen in Deutschland dargestellt. Es wurden innovative Ansätze zur integrierten medizinischen Behandlung evaluiert, unterschiedliche Ansätze im Bereich der psychischen Gesundheit unter Anwendung von Informationstechnologien einschließlich der Medienkampagne für Bürger von Hamburg getestet. Diese Ansätze können für die Aufgabenstellung auf regionaler als auch auf nationaler Ebene maßgebend sein;

Prof. Dr. Jürgen Gallinat, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf,

„Klinische und integrierte Versorgung im Bereich psychische Gesundheit“: im Vortag wird die Notwendigkeit der Ausarbeitung neuer Behandlungsansätze dargestellt, um die Prognose zu verbessern. Dies sieht einen integrierten Ansatz vor, wie er erstmalig im Gesundheitswesen in Hamburg etabliert wurde. Die Umsetzung dieser Ansätze hat viele Vorteile hinsichtlich der Kosteneffektivität;

Prof. Dr. Igor Nikitin, Direktor am Behandlungs- und Rehabilitationszentrum des russischen Gesundheitsministeriums in Moskau,

„Erhöhung der Funktionseffizienz eines großen multidisziplinären Medical Centers, ausgerichtet auf die Qualitätssteigerung und Zugänglichkeit der medizinischen Versorgung“: Im Vortrag werden aktuelle Tendenzen und Grundsätze des Gesundheitswesens auf dem Territorium der Russischen Föderation geschildert. Das System der Finanzierung bzw. der rechtlichen Regelung medizinischer Tätigkeit wird bewertet sowie Ordnung, Normen, nationale klinische Empfehlungen als Basis für die Umsetzung der Prinzipien der evidenzbasierten Medizin und Ausarbeitung von Qualitätskriterien für die medizinische Versorgung dargestellt. Der zweite Teil des Vortrags widmet sich der Darstellung einiger Ansätze zur Organisation einer effizienten Diagnostik und Behandlung in einem Allgemeinkrankenhaus anhand des Beispiels vom „Zentrum für Behandlung und Rehabilitation“ des Gesundheitsministeriums der RF. Es werden Ansätze für die Umsetzung der Prinzipien der wertorientierten Medizin, die zu wirtschaftlich effizienten Lösungen und zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führen, detailliert dargestellt.

Während der Diskussion wurden Probleme der gesamten automatisierten Analyse der Effizienz der Behandlung in Bezug auf ihre Werte erörtert. Dies sieht die Ausarbeitung und Implementierung der Werkzeuge für diese Analyse vor: in erster Linie das System einer objektiven Analyse von Ergebnissen (Verfolgung von künftigen Folgen der Eingriffe anhand der medizinischen Kennzahlen – Mortalität, Morbidität, Entwicklung der Komplikationen, Erwerbsfähigkeit, Invalidisierung sowie die Anwendung der PROM-Analyse, und zwar der Analyse der Folgen von medizinischen Eingriffen durch den Patienten).

Für zweckmäßig halten wir die Konsolidierung der Anstrengungen und den Erfahrungsaustausch im Rahmen der bilateralen deutsch-russischen Zusammenarbeit, was ermöglicht uns, die Umsetzung dieser Projekte auf nationaler und internationaler Ebene zu modellieren. Besonders zukunftsträchtig erscheint diese neue Form der Kooperation im Jahr des 60-jährigen Bestehens der Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Sankt Petersburg.

Am Ende des Treffens unter Vorsitz von Vladimir Starodubow und Andrea Fischer wurde das Fazit gezogen sowie der Beschlussentwurf erörtert und genehmigt, der an die Leitung des Petersburger Dialoges und an die Verwaltung des Gesundheitswesens beider Länder weitergeleitet wird.

 

Beschlussentwurf der AG Gesundheit des Petersburger Dialogs nach den Ergebnissen der Konferenz „Value-based Healthcare for Regions”, Hamburg, 01.06.2017

 Entsprechend der Hauptaufgabe des Forums der Zivilgesellschaften Russlands und Deutschlands zur Gründung einer sicheren Grundlage zur Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen war die Tätigkeit der AG „Gesundheit“ im Rahmen des Forums Petersburger Dialog äußerst aktuell.

         Nach den Ergebnissen des bilateralen Treffens (vom 1. Juni 2017 in Hamburg) im Rahmen des Beschlussentwurfes der AG „Gesundheit“ halten wir für zweckmäßig:

– das Gesundheitswesen als eine der zukunftsträchtigen Ausrichtungen der deutsch-russischen Zusammenarbeit anzuerkennen, unter Berücksichtigung von gleichen globalen Herausforderungen für die Medizin beider Länder, sowie die interdisziplinäre Diskussion über eine effizientere Anwendung von Innovationen in der medizinischen Praxis fortzusetzen;

– festzustellen, dass es im Bereich der wertebasierten Medizin gemeinsame Probleme gibt, unter anderem Probleme mit der Umsetzung des Nachfolgeprinzips in der medizinischen Behandlung und seine Integration, Anwendung des Ansatzes, der auf Interessen von Patienten beruft, Verbesserung der Finanzierung der medizinischen Behandlung sowie der Tätigkeit von Versicherungsunternehmen und medizinischen Einrichtungen;

– die Veröffentlichung der Unterlagen der Veranstaltung zu empfehlen, um die erörterten Probleme publik zu machen und neue Fachkräfte zur Lösung der Aufgaben heranzuziehen;

– der AG „Gesundheit“ zu empfehlen, einen detaillierten Aktionsplan zur Gestaltung gemeinsamer Projekte im Bereich der wertebasierten Medizin auszuarbeiten, und zwar: Erfahrungsaustausch bei der Anwendung der Vorsorgeprogramme und der Screening-Untersuchung der Bevölkerung, Umsetzung  von Pilot-Projekten zur integrierten medizinischen Behandlung und zur Bezahlung der medizinischen Leistung nach dem Fallabschluss, Stärkung der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Beteiligten des Gesundheitswesens und der Integration der ambulanten und stationären Teile, Heranziehung der Versicherungsunternehmen zu den Programmen der Modernisierung der medizinischen Behandlung und Patienteneinweisung;

– das nächste Fachtreffen für den Herbst 2017 in Sankt Petersburg einzuplanen, an dem der konkrete Maßnahmenplan in dem Bereich zu besprechen ist.

4. Juli 2017