Sitzung der AG Zukunftswerkstatt beim 13. Petersburger Dialog, Kassel, 4.-5. Dezember 2013

Bei ihrer Sitzung im Rahmen des 13. Petersburger Dialogs befasste sich die Die Arbeitsgruppe Zukunftswerkstatt befasste sich in ihrer Sitzung mit drei Fragen:
1. Wie weit können 3 Millionen Migranten eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und Russland übernehmen.
2. Welche Entwicklungsperspektiven bestehen für die Mittelschicht und den Mittelstand in Russland und Deutschland.
3. Aber auch die aktuelle Situation in der Ukraine bzw. deren Konsequenz für die deutsch-russischen Beziehungen wurden diskutiert.


Zum ersten Punkt:

Mit 3 Millionen stellen die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion die größte Gruppe der Migranten in Deutschland dar. Diese Menschen haben sich weitgehend in die deutsche Gesellschaft integriert. Sie sind in zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv, nicht aber in der Politik. Sie bergen ein großes Potential, eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und Russland zu übernehmen. In der Verbreitung der russischen Sprache und Kultur spielen sie bereits eine große Rolle. Aber auch immer mehr russische Mittelständler ziehen nach Deutschland, kaufen sich in Firmen ein, in deutschen Wertschöpfungsketten.

In den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland ist das Potential russischsprachiger Migranten groß: 6000 deutsche Unternehmen, die in Russland tätig sind, aber auch der russische Mittelstand, suchen verstärkt nach in Deutschlandausgebildeten Fachkräften, die zusätzlich zu den üblichen Qualifikationen gute Sprach- und Mentalitätskenntnisse besitzen.
Um mehr russischsprachige Migranten für die Brückenfunktion zu interessieren, müsste Russland stärker seine Soft Power ausbauen. In dem Maße in dem Russland modern und attraktiv wird, werden die nach Deutschland ausgewanderten Menschen ihre Verbindungen in die alte Heimat in unterschiedlichen Bereichen stärken.

Auch Deutschland könnte noch mehr tun, um die Brücke nach Russland mithilfe der russischsprachigen Migranten zu stärken: die doppelte Staatsbürgerschaft erlauben, beispielsweise, und eine Vorreiter-Rolle in der EU für Abschaffung der Visabarrieren zu übernehmen.

Die Teilnehmer der Zukunftswerkstatt waren sich einig, dass in den nächsten 5 bis 10 Jahren mit einem steigenden Engagement der russischsprachigen Einwanderer in den deutsch-russischen Beziehungen zu rechnen ist.

Im Verlauf der Diskussion über Punkt 2 – die Entwicklung der Mittelschicht und des Mittelstandes – kamen die Teilnehmer überein, dass eine gut entwickelte Mittelschicht sowie ein funktionierender Mittelstand sowohl in Russland als auch in Deutschland eine Garantie einer stabilen Gesellschaft und Wirtschaft sind.

Eine Mittelschicht entwickelt sich in Russland immer stärker. Sie macht zwischen 20-40 % in Russland aus.Doch deutsche wie russische Mittelständer stehen vor Herausforderungen der Globalisierung. Russland bildet für die deutschen Unternehmen einen hoch attraktiven Markt und ist gleichzeitig auf Technologietransfer und Knowhow aus Deutschland angewiesen. Das deutsche Mittelstandsmodell stößt in Russland auf immer größere Attraktivität. Das gilt es für Deutschland zu nutzen.

Als Ergebnis wurde vereinbart, zur nächsten Sitzung der Zukunftswerkstatt je 20 Vertreter des russischen und deutschen Mittelstandes einzuladen, aber auch Vertreter der zuständigen Ministerien und Regulierungsbehörden, die dringende Probleme des russischen Mittelstandes Punkt für Punkt diskutieren. Anschließend soll einStrategiepapier erstellt werden, welches konkrete Handlungsmaßnahmen für langfristige Entwicklungsstrategien ausarbeitet. Die Idee stammt von W. Subkow, der an unserer Sitzung teilnahm.

Am Ende diskutierten die Teilnehmer die aktuelle Situation in der Ukraine, insbesondere den Aspekt, ob die vorgeschlagenen trilateralen Verhandlungen realistisch sind. Russland kann kein droit-de-regard über Drittländer haben. Nach Meinung sowohl der deutschen als auch der russischen Teilnehmer ist die Implementierung des trilateralen Formats nicht realisierbar. Vielmehr sollten Verhandlungen zwischen der Ukraine und der EU und der EU und Russland parallel stattfinden. Die Zukunft eines gemeinsamen Europas könnte im Rahmen einer reformierten Östlichen Partnerschaft mit einer stärkeren Einbeziehung der russischen Interessen oder im Rahmen der bereits etablierten Strukturen wie Europarat, OSZE oder NATO-Russland-Rat diskutiert werden.
Es darf nicht sein, dass der Konflikt um die Ukraine die Perspektive eines gemeinsamen europäischen Raumes von Lissabon bis Vladivostok beerdigt.